Der Fall von Przemysl.

Auszug aus "In Feindeshand"
 

Letzter Depeschenwechsel zwischen dem
Festungskommandanten G. d. I. von Kusmanek
und Kaiser Franz Joseph.

 

Eure Majestät!

Nach ununterbrochenen sechsmonatigen Kämpfen, vom Feinde unbesiegt, jedoch durch Hunger bezwungen, wird morgen, den 19. März, die Besatzung von Przemysl, obzwar die Mannschaft durch monatelange Entbehrungen aller Art fast ganz entkräftet ist, den Versuch beginnen, den eisernen Ring des Feindes zu durchbrechen, um vor ihrem wahrscheinlichen Untergange der Feldarmee vielleicht doch noch einen Dienst zu leisten.
     In diesem schicksalsschweren Augenblick erheben sich unsere Herzen in unentwegter Liebe zu Eurer Majestät.
 

Kusmanek, G. d. I.

Der Kaiser antwortete:


     Die Meldung des heroischen Ausfalles, den die bisher unbesiegte Besatzung Przemysls zu unternehmen entschlossen ist, hat Mich tiefstens ergriffen und aus dem Grunde Meines Herzens sende Ich den Helden, die eine letzte Großtat zur Ehre des Vaterlandes und dem Ruhm unserer Waffen beginnen, Meine Segenswünsche. Was die Besatzung Przemysls geleistet, bleibt ewig denkwürdig und jedem einzelnen gebührt ein Blatt aus dem Lorbeerkranze, den dankerfüllt Ich und das Vaterland der tapferen opferfreudigen Besatzung Przemysls weihen.
      Des Allmächtigen gnädigster Schutz sei mit Euch!
 

Franz Joseph.

 
     Als der letzte Ausfallsversuch durch die Erschöpfung der Truppen unter schweren Verlusten zusammengebrochen war, berichtete G. d. I. Freiherr v. Kusmanek nach Schönbrunn:
 

Eure Majestät!

 
     Im Namen der Besatzung von Przemysl für die hochbeglückenden huldvollsten Worte Eurer Majestät tiefbewegt dankend, melde ich, daß heute die Besatzung von Przemysl den Durchbruchsversuch gewagt hat. Ich bin aber tiefunglücklich, Eurer Majestät gleichzeitig treugehorsamst berichten zu müssen, daß dieser Versuch nicht gelungen ist. In siebenstündigem verzweifelten Kampfe haben die Truppen bei widrigem Schneesturm mit dem Aufgebote ihrer letzten Kraft den starken Feind zu durchbrechen versucht. Nach großen Verlusten, bei denen die stets so tapfere kgl. ung. 23. Landwehrtruppendivision, soweit sich dies bis jetzt überblicken läßt, zur Hälfte aufgerieben wurde und auch die anderen Truppen schwer gelitten haben, mußte wieder hinter den Gürtel der Festung zurückgegangen werden. Da bei der dermaligen völligen Erschöpfung der Mannschaft ein nochmaliger Durchbruchsversuch ganz aussichtslos wäre, will ich die Festung nunmehr bis an die Grenze der Möglichkeit halten, um so durch Binden der hier befindlichen feindlichen Kräfte dem Zweck der Feldarmeen noch so lange als möglich zu nützen.
     Treu unserem Eide und in grenzenloser Liebe und Ergebenheit für Eure Majestät werden wir bis zum Ende ausharren.
 

Kusmanek, G. d. I.

 
     Dem Verteidiger von Przemysl, G. d. I. Freiherrn von Kusmanek, dem später für diese Waffentat das Ritterkreuz des Militär-Maria-Theresien-Ordens verliehen wurde, hatte Kaiser Franz Joseph am 20. März telegraphiert:
     Ergreift es mich tiefschmerzlich, daß der gestern kühn gewagte Durchbruch der Besatzung Przemysls an der Übermacht des Feindes scheiterte, so blicke ich doch mit wehmutigem Stolze auf den unvergleichlichen Opfermut der Braven, denen der Erfolg nicht beschieden war. Allen, die da kämpften, danke Ich allerherzlichst für die Heldentat und segne Ich das ruhmvolle Andenken jener, die ihr Leben auf dem Felde der Ehre hingaben.
     Noch in ferner Zukunft wird die Geschichte weithin künden, was Österreich-Ungarns Krieger mit der hartnäckigsten Verteidigung der Festung Przemysl vollbracht haben; — sie waren tapfer und standhaft bis zum letzten Ende.
 

Franz Joseph.

 

Für die Richtigkeit der Abschrift: Generalintendant a, D. H. v. Raabls Werner.

 
 

 

www.heeresgeschichten.at