K.u.k. Verteidigungsbezirkskommando VII
Op.Nr.140.
 

An

 

das k.u.k. Festungskommando

in

Pikulice, am 1. November 1914.                                 Przemysl

Auf Res.Nr. 2838 vom 29. Oktober 1914.

 
     Der Feind vollführte die Annäherung an die Gürtellinie fast vollkommen unbemerkt, also vorwiegend bei Dunkelheit; bei Tag waren stets nur einzelne Leute zu sehen, bei Nacht kam der Feind heran, grub sich ein und blieb tagsüber vollkommen gedeckt. Erst bis er seine Laufgräben hatte, erfolgte ein Vorwärtssammeln auch bei Tag.
     Mit großem Geschick verstand es der Gegner jene verdeckten Räume herauszufinden, welche ihn nicht nur der Sicht, sondern auch dem Feuer des Verteidigers entzogen.
     Es erscheint daher dringend notwendig, in den einzelnen Bezirken Artilleristische Kampfmittel aufzustellen, welche ausschließlich für die Wirkung in die Nachbarbezirke bestimmt sind, um tatsächlich alle größeren Ansammlungsräume des Gegners artilleristisch zu beherrschen.
     Das gleiche gilt auch bezüglich der Beleuchtung des Vorfeldes eines Bezirkes aus dem anderen, sowie der Schußbeobachtung in die Nachbarbezirke, was aber alles schon vorher eingerichtet sein muß, da die Anforderung, wenn sie erst im Bedarfsfalle erfolgt, versagt.
     Es ist äußerst schwer möglich gewesen, die feindlichen Batteriepositionen zu entdecken. Um sich nicht zu verraten, hat der Feind das Feuer in der Nacht niemals unterhalten. Durch die vom FsKmdo entsendeten Kundschafter wurde diesbezüglich nicht in Erfahrung gebracht. Es zeigt dies die Notwendigkeit, dass jeder Bezirk für das ihn interessierende Detail der feindlichen Maßnahmen einen eigenen Kundschafterdienst einrichtet, was aber rechtzeitig eingeleitet werden muss und Geldmittel erfordert.
     Den Aufklärungsdienst sehr intensiv zu betreiben, hat sich als dringend notwendig erwiesen. Nur durch eine sehr intensive Aufklärung durch zahlreiche InfPatrouillen konnte man feststellen, wie weit der Gegner an den Gürtel herangekommen war. Ohne Verluste war eine solche Aufklärung natürlich nicht durchführbar.
     Ein ununterbrochenes Patrouillieren im Vorfelde war aber auch aus dem Grunde wünschenswert, weil sonst zu befürchten war, dass der Offensivgeist der immerwährend hinter den Deckungen stehenden Mannschaft vollkommen erlahmt. Aus letzterem Grunde wurde auch jede Gelegenheit ausgenützt, welche einen Ausfall rechtfertigte, und den größten Teil der Besatzung aus den Befestigungen heraus und an den Feind zu führen.
     Eine Verfolgung der Ausfallstruppen hat der Feind in keinem Falle unternommen, jedenfalls auch deshalb um seine Stärke und seine Stellungen nicht zu verraten und sich dem ArtFeuer des Verteidigers nicht auszusetzen.
     Entsprechend der Heftigkeit des feindlichen Angriffes und der sehr guten Wirkung des eigenen ArtFeuers seit 24.19. müssen die Verluste des Angriffes sehr bedeutende gewesen sein. Aus der Zahl der nach den Kampfe gefundenen Leichen und Massengräber, wie aus Aussagen von gefangenen und Landesbewohnern kann angenommen werden, dass der Angreifer des VII. Vert.Bezirkes insgesamt 2.000 bis 2.500 Tote, speziell in der Zeit v.5. bis 8./10. etwa 1.800 bis 2.000 Tote und Verwundete verloren hat.
     Die eigenen Verluste müssen dagegen trotz mehrtägiger heftiger Beschießung besonders einzelner Werke und Stützpunkte als überaus gering bezeichnet werden. Sie betragen bei allen im Bezirke gestandenen Truppen während der ganzen Dauer der Belagerung insgesamt 20 Tote 75 Verwundete 8 Vermisste.
     Diese Verluste entstanden aber größtenteils bei den Ausfällen in's Vorterrain; in den Befestigungsanlagen selbst waren die Verluste minimal.
     Die materielle Wirkung des feindlichen Geschützfeuers war eine staunenswert geringe.
     Es wirkten vorwiegend Feldkanonen, dann eine 12 cm Haubitzbatterie und zeitweise auch eine 15cm Haubitzbatterie.
     Das Feuer der russischen Batterien konnte den Panzern und dem Betonkörper des Werkes Optyn trotz der 250 Treffer auf das Werk keinen Schaden zufügen. In den Erdbrustwehren wurden von den einschlagenden Geschossen mehr oder weniger starke Trichter erzeugt, aber kein Schaden verursacht.
     Die Schrapnellschirme litten im allgemeinen wenig Schaden, nur in dem am stärksten beschossenen Werke Optyn wurden die Schrapnellschirme wiederholt in der Ausdehnung von je 3-4 x zerstört, konnten aber in der Nacht in kurzer Zeit wieder hergestellt werden. Es empfiehlt sich daher, die Schrapnellschirme aus kurzen Elementen zusammenzusetzen, um das Abbrechen grösserer Flächen zu verhindern. Für das Werfen von Handgranaten sind leicht abwerfbare Teile einzuschalten.
     Sehr viele Telephonleitungen wurden durch das feindliche ArtFeuer zerstört, weshalb es überaus wichtig erscheint, die Leitungen wenigstens unmittelbar hinter der Kampflinie in Kabelkanälen oder in Spitzgräben zu führen.
Die telephonischen Verbindungen der Batterien waren meist in den Verbindungsgräben angelegt und haben gar keinen Schaden erlitten.
     Die in geringer Zahl vorhanden gewesenen Scheinbauten haben sich sehr bewährt; sie wurden vom Angreifer tatsächlich kräftig beschossen und zwar Scheinbauten sowohl vor der eigentlichen Stellung als auch hinter derselben.
     So lange stärkere Sicherungstruppen im Vorfelde sind und die Absicht besteht, offensive Aktionen zu unternehmen, müssen an gut bestrichenen Stellen zahlreiche und genügend breite Lücken im Drahthindernis belassen werden, für deren rasche und ausgiebige Schließung allerdings sehr gut vorgesorgt sein muss, da sonst die eigenen Truppen beim Rückzüge hinter das Hindernis bei Nacht in sehr gefährlichen Lagen geraten können.
 

Martinek

mp.

Oberlt.

 

 
 

 

www.heeresgeschichten.at