1. Jänner 1915

 

 

Die Bedeutung von Przemysl.

   (Eigenbericht der "Reichspost".)

 
     Im Moskauer "Russkoje Sflowo" schreibt Oberst Michailowski über die Bedeutung der Festung Przemysl, die sich "leider immer noch im Besitze der Oesterreicher befindet": "Viel hängt jetzt von Przemysl ab. Die Garnison dieser Festung hat neuerdings Ausfälle versuchte, die zurückgewiesen wurden. Wir dürfen nicht forwährend die Versuche der Festungsbesatzung, die Blockade zu brechen, und ihre Tätigkeit damit zu erklären versuchen, daß die Lage der Festung verzweifelt sei, so wie wir mehr mit dem Mute unseres Heeres als mit den Fehlern und Mängeln unserer Gegner rechenen müssen. Die Einnahme von Przemysl wäre jetzt in jeder Hinsicht notwendig.! (Sic!) ...
     Ueberhaupt solle man doch nicht glauben, daß die Oesterreicher "vollständig geschlagen" (darüber aber berichten gewisse russische Blätter schon seit Anfang des Krieges! . . . Anm.) und nicht mehr in der Lage seien, die Karpathenpässe zu verteidigen." Der Optimismus gewisser Schriftsteller sei übel angebracht; die Oesterreicher verteidigen sich mutig und mit großer Beharrlichkeit und in den russischen Offizierskreisen werde der Gegner keineswegs unterschätzt. Die Kämpfe in den Karpathen seien noch keineswegs zu Ende.

 

 

Das Leben in Przemysl.

 
     Krakau, 30. Dezember. Am zweiten Feiertage trafen nach Berichten der "Nowa Reforma" zwei kühne Flieger aus Przemysl hier ein, die eine Reihe von Nachrichten und mehrere tausend Briefe der heldenmütigen Verteidiger mit sich führten, die größtenteils für Bekannte und Verwandte in in Krakau bestimmt waren. Die beiden Flieger waren am hl. Abende in Krakau aufgestiegen und waren über die feindlichen Linien, die die Kugeln nicht sparten, um die wacheren Piloten herabzuholen, aber nicht trafen, hinweg nach zweieinhalbstündigem Fluge in Przemysl gelandet. Dort wurden sie enthusiastisch begrüßt und sie brachten auch den Verteidigern Grüße und insbesondere Zeitungen, die reißenden Absatz fanden. Es kam vor, daß für ein Exemplar 10 Kronen bezahlt wurden. Das Erträgnis wurde von den Fliegern für militärische Zwecke bestimmt. Die Russen haben, wie der Bericht besagt, während der Feiertage vor Przemysl Ruhe gehalten. Zwei Tage vor dem hl. Abend befestigten sie an einem Baum vor der Festung einen großen Zettel, der folgenden russischen Text enthielt: Wir wünschen Euch allen tapferen Verteidigern der Festung vom ganzen Herzen ruhige und fröhliche Weihnachten. Ruhe auf Erden den Leuten, die guten Willens sind. Die Muttergottes möge Euch alle Wünsche erfüllen. Dies wünschen Euch herzlich die Offiziere und die Bedienung der x Batterie der x Artilleriebrigade. Und wirklich fiel während des hl.Abends und am ersten Feiertage nicht ein Schuß. Die Besatzung beschloß deshalb, am Weihnachtsfeste der Russen dasselbe zu tun und das Fest nicht zu stören. Das Leben in Przemysl nimmt einen vollkommen normalen Verlauf. Man hat oft gar nicht den Eindruck, daß man sich in einer belagerten Stadt befindet. In den Kaffeehäusern herrscht lebhaftes Treiben. Auf den Straßen ist ein lebhafter Verkehr zu beobachten. Die Handwerker gehen überall ihrem gewöhnlichen Gewerbe nach wie im tiefsten Frieden, niemand ist aufgeregt, jeder glaubt an den endlichen Sieg. Am besten wird die völlige Ruhe der Bewohner durch die Tatsache charakterisiert, daß in den nächsten Tagen ein Konzert veranstaltet wird, das allenthalben großem Interesse begegnet und sehr gut besucht sein dürfte. Der Reingewinn ist für militärwohltätige Zwecke bestimmt. Der Geist der Truppen ist vortrefflich. Die Festung ist wunderbar verproviantiert. Wir können auch ein Jahr aushalten, sagte ein Soldat den Fliegern. Am Weihnachtstage erhoben sich die Flieger wieder zum Rückfluge nach Krakau udn hatten wieder einige tausend Briefe mit. Der Flug über die feindlichen Linien war durch Kugelregen gefährdet und dauerte drei Stunden.
 

 

 

Aus der Przemysler Feldzeitung.

Budapest, 30. Dezember. (Privat)

 
Der "Pester Lkoyd" bringt Auszüge aus der in Przemysl in ungarischer Sprache erscheinenden Feldzeitung "Tabori Ujsag". Die Feldzeitung ist von dem Honvedleutnant i.R. Dr. Koloman Molnar redigiert, der in seinem bürgerlichen Beruf Professor an der Rechtsakademie zu Eger ist.
In der Nummer vom 18. Dezember veröffentlicht die Zeitung interessante Einzelheiten über die heldenmütige Kämpfe der ungarischen Honvedtruppen, die zur mobilen Besatzung der Festung Przemysl gehören. So hat das Werschetzer Honvedinfanterieregiment am 15. Dezember sich in einem Bajonettangriff so heldenmütig benommen, daß der Festungskommandant G.D.I. Kusmanek es in einem Zirkulartelegramm an die Kommandanten sämtlicher Verteidigungsabschnitte öffentlich belobte- Das Telegramm lautet: " Das königlich ungarische Werschetzer Honvedinfanterieregiment hat am 15. Dezember nachmittags den sehr starken, auch von Drahthindernissen umgebenen Höhepunkt, 425 nördlich von Czisowa, nach hartnäckigem Kampf im Sturm genommen und dabei zwei Maschinengewehre und viele Gefangene erbeutet. In herzlichster Weise begrüße ich das Regiment anläßlich dieser glänzenden Waffentat."
Am 17. Dezember hat das Gyulaer Honved-Regiment die Höhe von Kopystanka, den Schlüsselpunkt der Straße nach Bircza, mit gleicher Bravour im Bajonettangriff genommen.
Ein besonderes Kapitel ist der tapferen und findigen Haltung des Honvedkorporals Zacharias Oprea gewidmet. Dieser Unteroffizier war als Kommandant einer Erkundungspatrouille ausgesendet. Auf seinem Marsch kam er in die Nähe des Ortes Wielmice, wo feindliche Kräfte sich regten. Der Korporal Oprea faßte den Entschluß, mit seiner Patrouille aus einer gedeckten Stellung ein starkes Feuer gegen das Dorf zu eröffnen, um den Feind zur Entfaltung seiner Kräfte zu bewegen. Der Plan gelang. Aus dem Dorf entwickelte sich sofort eine ganze Kompanie Russen gegen die Patrouille des Korporals Oprea. Der Kompagniekommandant des Korporals, der die Bewegungen der Patrouille mit einem Fernglas unausgesetzt beobachtete, konnte das Hervorstürmen der feindlichen Kompagnie aus dem Dorf wahrnehmen und auf seine telephonische Meldung hin eröffneten die schweren Geschütze des Forts Luczice ihr Feuer gegen den Feind, der inzwischen sich auf ein halbes Bataillon verstärkt hatte. Nach seinem Rückzug erwies Korporal Oprea sich als findiger Aufklärer, indem er, an dem Flügel der feinlichen Feldwachen vorbeikommend, um deren Dislozierung zu erkunden, mit seiner Mannschaft in ungedeckter Stellung an der feindlichen Feldwachlinie vorbeimarschierte. Durch die auf solche Art auf sich gelockten feindlichen Schußrichtungen gelang es ihm, die Flügel der feindlichen Linie festzustellen. Der Korporal Oprea wurde belobt und zur Auszeichnung vorgeschlagen.
 

 

2. Jänner 1915

 

 

Die Neujahrswünsche der heldenmütigen Besatzung.

 
     Wien, 1. Januar. aus dem Kriegsquartier wird gemeldet:
     Anläßlich des Jahreswechsels erhielt Seine k.u.k. Hoheit der durchlauchtigste Herr Feldmarschall Erzherzog Friedrich die folgenden Telegramme:
     Von Seiner k. und k. Hoheit dem hochwürdigst durchlauchtigsten Herrn General der Kavallerie Erzherzog Eugen: " Zum neuen Jahre bitte ich nebst meinen wärmsten Glückwünschen, auch jene der mit unterstehenden Streitkräfte entgegennehmen zu wollen. Möge es in diesem Jahre unseren tapferen Truppen beschieden sein, durch Niederringung der Feidne den Krieg zu einem ruhmvollen Ende zu bringen. Erzherzog Eugen, G.d.K."
     Erzherzog Friedrich antwortete:
     " Von ganzem Herzen danke ich Dir und Deinen braven, tapferen Truppen für die mich sehr erfreuenden guten Wünsche zum neuen Jahren. Auch ich erflehe Gottes reichsten Segen für Dich und für die Waffen der Dir unterstellten Streitkräfte, auf daß es uns gelingen möge, den vollen Sieg über unsere Feinde zu erringen. Herzliche Grüße! Feldmarschall Erzherzog Friedrich."
     Vom Festungkommandanten in Przemysl (Radiotelegramm): " In treuester Ergebenheit bittet die Besatzung von Przemysl Eure k.u.k. Hoheit, anläßlich der Jahreswende auch ihre tieferfurchtsvollsten Glück- und Segenswünsche gnädigst entgegenzunehmen.
G.d.I. Kusmanek."
     Erzherzog Friedrich telegraphierte: "Mit Stolz und Freude empfinde ich die mir im Namen der heldenhaften Besatzung der Festung Przemysl telegraphisch übermittelten Glückwünsche Eurer Exzellenz. Das leuchtende Beispiel strengster Pflichterfüllung, Manneszucht und aufopferungsvoller Tapferkeit der standhaften Besatzung von Przemysl wird uns allen ein Leitstern sein, für den Allerhöchsten Kriegsherrn und des Vaterlandes Ruhm und Ehre mti nie erlahmenden Eifer ihr Bestes zu leisten. Ich beglückwünsche Eure Exzellenz und Ihre tapfere Besatzung auch im Namen aller Kameraden aufs herzlichste zum neuen Jahre und sende Ihnen meine besten Grüße. Erzherzog Friedrich, Feldmarschall."
 

 

 

Eine russische Feldpost von der Przemysl-Besatzung erobert.

 
Prag, 1. Jänner. Das "Prager Tagblatt" erhielt am 31. Dezember eine in Przemysl mittels Fliegerpost am 28. Dezember aufgegebene und expedierte Feldpostkarte, die unter anderem die Mitteilung enthält, daß alle in den letzten Tagen von den Russen gemachten Versuche, im Vorfeld des Festungsgebietes Terrain zu gewinnen, von unseren Truppen zurückgeschlagen wurden.
Hiebei wurde von unseren Soldaten auch eine russische Feldpost erobert, die viele wertvolle Sachen enthielt. Die Russen halten sich in sehr weiter Entfernung des Bereiches unserer Festungsartillerie. Die Karte teilt mit, daß es der ganzen Besatzung an nichts fehlt und daß auch der Gesundheitszustand der Garnison glänzend ist.
 

 

8. Jänner 1915

 

 

Die Lage in Przemysl und in den Karpathen.

Telegramm unseres Kriegsberichterstatters.

Kriegspressequartier

 
     Um Prezmysl herrscht relativ Ruhe.
      Die Angriffsversuche des Feines verlaufen resultatlos.
      Die Besatzung unternimmt regelmäßig Ausfälle, die mit der Hereinbringung von Gefangenen
und erbeutetem Kriegsmaterial endigen. Der Postverkehr wird durch Aeroplane, wenn des die
Witterung erlaubt, fast regelmäßig besorgt.
     Vor Przemysl wiederholen sich Meuterungsversuche russischer Soldaten, die sich weigern, zu stürmen.
Einige Bataillone wurden bereits abtransportiert. Viele Soldaten wurden in den letzten Tagen von
Offizieren niedergeschossen.
     In den Karpathen sind die Flüsse vielfach ausgetreten. Die Terrainverhältnisse sind derartig
schlechte, daß Operationen beinahe ganz unmöglich sind.
 

 

10. Jänner 1915

 

 

Was geschieht um Przemysl?

 
     H Budapest, 9. Januar. (E.D.) Franz Molnar drahtet dem "Az Ast" unterm 8.d.M.: Auf meine Erkundigungen, ob etwas Nennenswertes in den letzten Tagen um Przemysl vorgekommen sei, erhielt ich die Antwort, daß der die Festung ringartig umgebende Feind sich relativ ruhiger verhält. Die Verteidigungsmannschaft wird von dem alten offensiven Geiste beseelt, wenn sie täglich ihre Ausfälle unternimmt, deren Zweck die Aufklärung der feindlichen Positionen und die Beunruhigung der feindlichen Linien ist. Wenn es die Witterung erlaubt, verkehrt die Fliegerpost, gleichgültig gegen alle Gefahren. Unsere tapferen Fliegeroffiziere expedieren und bringen so viel Briefe, als ihr Apparat überhaupt nur zu tragen vermag. Die Soldaten der Verteidigungstruppen schreiben ihre Briefe auf seidenpapierähnlichem, dünnen Papier, damit die Flieger um so mehr befördern können.
 

 

 

Das standhafte Przemysl.

 
Berlin, 9. Januar. (Privattelegramm des "Neuen Wiener Journals".) Die "Tägliche Rundschau" meldet aus dem Haag: Der russische offizielle Bericht warnt vor der Hoffnunf auf eine schnelle Uebergabe der Festung Przemysl, da die Artillerie der Forts eine sehr gute und die Besatzung offenbar bester Hoffnunf sei.
 

 

 

Kampf gegen Flieger

 
Beschießung eine Jarman-Flugzeuges der Russen, das einen österreichischen Flugplatz bei Przemysl angriff.
( Aus der heute erschienen "Österr.-ungar. Kriegswoche")
 

 

 

Die Verteidigung von Przemysl

 
     Mailand, 31. Dezember. "Secolo" meldet aus Petersburg, daß "Rußkoje Slowo" die baldige Erstürmung von Przemysl verlangt, weil durch die kräftigen Ausfälle der Besatzung der russischen Armee sehr viel Schaden zugefügt wird. Der angesehene Militärschriftsteller Michailowski schließt sich dieser Forderung an mit dem Zusatz, daß dieses Unternehmen allerdings viel Blut kosten werde.
     Diesen Auslassungen gegenüber betont "Nowoja Ruß", daß es nicht ausgeschlossen erscheine, daß die Belagerung von Przemysl aus taktischen Gründen nochmals aufgegeben werden könnte.
     Stockholm, 30. Dezember. Der nunmehr seit Wochen belagerten Festung Przemysl gedenkt die russische amtliche Meldung nahezu jeden Tag. Seit geraumer Zeit heißt es schon permanent in den Berichten, daß die Festungsarmee mit energischen Ausfällen die belagernde Armee beunruhigt. Es ist wohl wahr, daß die russische Meldung jedesmal zusingt, daß sie diese Ausfälle mit "Verlusten für den Feind" abwehrten, nichtsdestoweniger geht aus den letzten offiziellen und inoffiziellen russischen Meldungen hervor, daß die österreichisch-ungarischen Truppen anläßlich dieser Ausfälle dem Feinde auch diesmal große Verluste verursachten.
 

 

11. Jänner 1915

 

 

Aus dem eingeschlossenen Przemysl.

 
     Ein der Arbeiterbewegung freundlich gegenüberstehender Arzt in Wien erhielt von einem Freunde, der als Arzt in der Festung eingeschlossen ist, folgende durch die Fliegerpost beförderte Feldpostkarte:

Przemysl, 13. Dezember 1914

Lieber J.!

 
     Da sich mir die Möglichkeit bietet, eine Karte den Lüften anzuvertrauen, ergreife ich die Feder zu folgendem Bericht: Es geht mir ausgezeichnet. Schlafe in einem bequemen Bett, einem eleganten Zimmer, das ich sogar elektrisch beleuchten könnte, speise vorzüglich, kurz: die Bluse wird mir wieder eng. Von der Belagerung spüre ich eigentlich nichts, höchstens Kanonendonner von draußen. Hier gibt´s viele Bekannte (hier führt der Schreiber eine Anzahl Ärzte an).
     Im Inneren einer modernen Festung ist es eigentlich sehr merkwürdig: draußen schießt man und in der Stadt: Korso, Kaffeehäuser, sogar Platzmusik.
     Ich mache Cholera- und Thypusimpfstoff und da Bisse wutkranker Hunde vorgekommen sind, auch Schutzimpfstoff gegen Lysta (Tollwut). Wie ein Robinson. Andererseits werden nämlich auch Brennspiritus und Zündhölzchens fabriziert.
Viele Grüße an u.s.w.                                                                                                                   Dein P.
 
     Die Karte ist am 26.Dezember in die Hände des Adressaten gekommen. Sie gibt teilweise ein anschauliches Bild über das Treiben in der von der Außenwelt abgeschlossenen Festung.
 

 

14. Jänner 1915

 

 

Przemysl

 
      Der russische offiziöse Bericht warnt neuerlich vor der Hoffnung auf eine schnelle Uebergabe Przemysls, da die Artillerie der Forts sehr gut sei. - Der Ingenieur Eduard Pauk sandte seinen Eltern nach Groß-Kanizsa aus Przemysl zwei Briefe, die vom 5. und 14. Dezember datiert sind und mittelst Flugmaschine aus der Festung befördert wurden. Pauk teilt in den Briefen mit, daß die russischen Kanonen an den Werken der Festung keinerlei Schaden verursacht haben. Die Soldaten wohnen in unterirdischen Kasernen und sind mit allem wohl versehen.
 

Eine russische Beleidigung der Besatzung von Przemysl.

 
     Wien, 12. Jänner. (K.B.) Amtlich wird gemeldet: Die von den russichen Zeitungen verbreitete Nachricht, die Festung Przemysl hätte am 10. Dezember einen Parlamentär zum Feind entsendet, ist natürlich vollkommen erfunden und dürfte nur bezwecken, die gänzliche Machtlosigkeit gegenüber dieser Festung zu verbergen.
 

 

 

Aus Przemysl

 
     Wien, 12. Jänner. Der Kriegsberichterstatter des "Deutschen Volksblatte" erklärt über die Belagerung von Przemysl, daß die russische Armee dort bei den bisherigen Angriffen furchtbare Verluste erlitten habe. Die Ausfälle der Besatzung haben den Belagerern großen Schaden zugefügt. Gefangene russische Offiziere erzählen davon mit unverhüllter Bewunderung. Ebenso stark sind dei Reihen bei Sturmangriffen gelichtet worden. Wie bei der ersten Belagerung trieben die russischen Offiziere die Mannschaften an. Viele die nicht vorrücken wollten, wurden einfach niedergeschossen. Vor den Truppen lagen Berge von Leichen feindlicher Soldaten. Sie zählten nach Tausenden, deshalb dürften auch die Russen ihre wahnsinnigen Angriffe aufgegeben haben. Vor kurzem sind auch Teile der Belagerungsarmee an die Dunajeefront und nach den Karpathen abgezogen, so daß bis auf weiteres vor der Festung Przemysl keine Russen erscheinen dürften. In der Festung herrscht die vortrefflichste Stimmung.
 

 

 

 

 

15. Jänner 1915

 

 

Przemysl

 
      Wien, 15. Jänner. Aus dem Kriegspressequartier wird telegraphiert:
     Aus Przemysl treffen auf drahtlosem Wege täglich Nachrichten ein, welche von der unermüdlichen Aktivität der Besatzung sprechen. Die Russen haben einen Teil der Belagerungstruppen nach dem Dunajec und in die Karpathen abziehen müssen. Die Beschießung ist im allgemeinen träge. Die Artillerie des Gegners hält sich an der Grenze des Erträglichen. So oft der Feind versucht, den Zernierungsring zu verengen, stößt er auf ernsten Widerstand und gibt das Experiment auf.
     Der Geist der Besatzung ist vorzüglich. Sie beunruhigt den Gegner ohne Unterlaß und nimmt ihm täglich Gefangene ab. Gegnerische Offiziere schätzen die russischen Verluste bei der zweiten Einschließung auf ungefähr 25.000 Mann an Toten, Verwundeten und insbesondere an Kranken. Die Verluste der ersten Einschließung betrugen 70.000 Mann, so daß die Forcierung der Festung den Russen bald 100.000 Mann gekostet haben wird.
     Ein blutroter Tag im russischen Kalender war jener, wo die Russen versuchten, sich mit schweren Batterien im Vorfelde festzusetzen. Ein von wohlgezieltem Artilleriefeuer der Forts unterstützter Ausfall zerstörte die halbfertigen russischen Stellungen und trieb die Bemannung zurück. Stürmende Bataillone, welche die verlorenen Positionen wieder gewinnen wollten, wurden niedergeschlagen. Die Festung steht durch Flieger mit der Außenwelt nach mehreren Seiten hin und fast täglich in brieflicher Verbindung. Die Stärke der russischen Belagerungsarmee ist unbekannt. Die erste Belagerung wurde von sieben Divisionen und einem Kavalleriekorps durchgeführt. Diesmal dürfte die Kavallerie stärker sein.
 

 

16. Jänner 1915

 

 

Erfolge unserer Verteidigung von Przemysl.

Russische Verluste: 100.000 Mann.

 
     Aus dem Kriegspressequartier wird dem "Pester Lloyd" gemeldet: Der förmliche Stillstand aller Operationen an der ganzen Kampfesfront dauert fort.
     Die Passivität der russischen Truppen läßt sich, von dne Witterungs- und Kommunikationsverhältnissen ganz abgesehen, vermutlich durch den Umstand erklären, daß die Verstärkung, und zwar Reserveformationen aus dem Innenlande erwarten. Mit diesen dürfte ihnen aber nicht besonders gedient sein, da der Zuschub aller Waffen bar ist.
     Schon die im feindlichen Etappenbereiche früher eingetroffenen Verstärkungen können bloß sukzessive verwendet werden, je nachdem durch Abgang der Kämpfenden Feuerwaffen frei werden.
     Die Gesamtzahl der feindlichen Verluste vor Przemysl hat sich den siebzigtausend der ersten Belagerung auf zirka hunderttausend gehoben.
     Die Ausfälle unserer Truppen, die durch ihre Angriffe die zwangweise Ausdehnung des Zernierungstreifes, wie auch die Verschütterung der verwendeten Truppen, hauptsächlich der Artillerie, bezwecken, haben bis zu den letzten Tagen die schönsten Erfolge aufzuweisen. So wurde unter anderem auch eine Vorfeldstellung des Gegners nach heftigen Kämpfen ohne bedeutende Verluste unsererseits genommen.
 

 

 

Przemysl

 
Aus einem Feldpostbrief: Unsere Flugzeuge bringen und expedieren tagtäglich unsere Briefe und Zeitungen. Wir fühlen es überhaupt nicht, daß wir in einer belagerten Stadt sind. Die russische Artillerie ist von der Festung ziemlich entfernt und nur sehr selten in Tätigkeit. Es scheint, die Russen wollen uns aushungern. Wenn dies tatsächlich ihre Absicht ist, so werden sie nie hier erscheinen; denn mit Munition und Lebensmitteln sind wir auf Jahre hinaus versehen. Die ganze Festungsbesatzung erhält normale Rationen wie im Frieden. Die Truppen sind ausgeruht, gut gelaunt und jenes Regiment ist glücklich, das einen Spaziergang außerhalb der Festung gegen die Russen unternehmen kann. Nie kehren wir ohne Gefangene zurück. In den letzten Tagen haben wir einen russischen Aeroplan abgeschossen, der vollständig zugrunde ging. Unsere Offiziere erzählen, die Bewegungen der Russen sind so, wie wenn sie sich zurückziehen wollten.
 

 

17. Jänner 1915

 

 

Fliegerpost für Przemysl.

 

Einer von der Fliegertruppe. - Vor dem Abflug. - "Gut Land!" - Fünfzig Kilogramm Post           Grüße an den Steffel.

 
Ein Angehöriger unserer trefflichen Fliegertruppe, Vormeister Josef Rath übermittelt der "Oesterreichischen Volks-Zeitung" den folgenden interessanten Aufsatz mit der Bitte um Veröffentlichung. Das Publikum - fügt der Einsender in seinem Begleitschreiben bei - soll darüber aufgeklärt werden, daß der Menge und Größe der Flugpostsendungen leider Schranken gesetzt sind, daß also für Przemysl nicht Pakete sondern nur Postkarten ohne Beilage gesendet werden mögen. " In Przemysl ist alles zu haben," fügt Vormeister Rath bei, der sein Schreiben mit herzlichen Grüßen an alle Wiener vom Wiener Hausregiment, Festungsartillerieregiment Nr.3, schließt.
 

. . . 10. Jänner 1915

     Der Krieg hat es mit sich gebracht, daß eine große Anzahl Wienerkinder in Przemysl, in der standhaften Feste, eingeschlossen sind. Fern von den Lieben, die in Gedanken bei ihnen weilen und die sehnsuchtsvolle Briefe schreiben, die jedoch bis kurz vor Weihnachten ihr Ziel nicht erreichen konnten.
     Erst durch die Güte des Festungskommandanten wurde es möglich, unseren Teuren Grüße aus aller Welt zu bringen und deren Antwort den in Wien Harrenden zu übermitteln. Tausend und tausend Briefe, Karten und Päckchen lagen in großen Postsäcken bereit und keine Möglichkeit, die herzlichen und innigsten Grüße dorthin zu bringen, wo des Feindes eherne Schlünde Feuer speien.
     Am 23. Dezember war es, am Tage vor dem heiligen Abend, als man sich hier anschickte, der tapferen Besatzung von Przemysl eine Weihnachtsfreude zu bereiten.
     Der Himmel war klar, die Luft ziemlich ruhig und die schwache Sonne spiegelte sich in den Stangen und Drähten des schlanken Flugzeuges. Die Mechaniker prüften sorgfältig jede Schraube, Niete und jedes bewegliche Stück. An den Apparat gelehnt standen Beobachter und Pilot im Gespräch und neben dem stolzen Adler füllte man die Postsäcke mit den Grüßen für Przemysl. Zirka fünfzig Kilogramm war die Post, die der Weihnachtsengel den fernen Lieben bringen sollte. Stück für Stück wurden die Säckchen verstaut, nachdem vorher alle größeren Päckchen beiseite gelassen wurden, aus denen die Briefe zur Beförderung entnommen waren, dann man mußte ja allen etwas bringen, und der Raum ist klein und beschränkt. Der Apparat ist eben kein Postomnibus.
     Nun war alles untergebracht. Der Pilot, sowie der Beobachter - Namen dürfen nicht genannt werden - zogen die Haube über die Ohren, rückten die Brille zurecht, der Motor begann zu surren und der Apparat flog mit leichtem Fluge dem Himmel entgegen, während unten ein tausendstimmiges "Gut Land" erschallte. Eine Runde über dem Flugplatz und fort ging es, dem Ziele, den fernen Lieben in Przemysl entgegen.
      Dies war die Weihnachtspost, die allen unseren Lieben frohe Botschaft von den Zurückgebliebenen bringen sollte und die nicht nur dies besorgte, sondern die auch den Eingeschlossenen Gelegenheit gab, Grüße zu senden an alle Lieben, an Frau und Kind und an den stolzen Steffel am Donaustrand.

 

 

Die Spiritusbrennerei der Festung Przemysl.

 
     Von einer Persönlichkeit, die in Przemysl während der ersten Belagerung zu den Verteidigern der Festung gehörte erhält der "P.Lld." folgende Schilderung:
 
     Fast angrenzend an ein Außenfort der Przemysler Festung liegt ein Meierhof, der Mitte September knapp vor der Belagerung von seinen Inwohnern verlassen wurde. Die reichen Vorräte der heurigen Fechsung schienen gänzlich preisgegeben worden zu sein und der Vernichtung durch feindliches Feuer und Fäulnis zu verfallen. Der russische Kanonendonner wurde immer deutlicher, immer näher hörbar, und bald wurde die Festung vollkommen von der Außenwelt abgeschlossen. Aber je enger der feindliche Ring die Festung umklammert, desto reger und unermüdlicher wurde die Tätigkeit ihres Kommandos. Nicht nur hinter der Front, sogar an der Front und vor der Front setzte eine lebhafte, zielbewußte Tätigkeit zur Nutzbarmachung der vorhandenen Vorräte ein. Dreschmaschinen und Lokomobilen wurden ausfindig gemacht, instandgesetzt und an sicheren Ort gebracht, wohin wieder das ganze Getreide aus der Umgebung herbeigeschafft wurde; Kartoffeln und Rüben wurden ausgegraben und gedeckt. So gingen auch die großen Vorräte aus dem Meierhof, trotz russischen Feuers, nicht verloren.
     Aber den Höhepunkt einer Entschlossenheit und wirtschaftlichen Fürsorge für den Bedarf der Festung erzielte das Festungskommando durch folgendes:
     Auf dem Meierhof befand sich eine große Spiritusbrennerei, deren Kamin und Dachdecke bereits entfernt werden mußten, um dem Feinde kein Zielobjekt zu bieten. Das verlassene Gebäude diente unseren Soldaten vorübergehend als Herberge denen das damals in Galizien herrschende Wetter entsetzlich zusetzte.
     Da erschein eines Tages ein Offizier und meldet dem Abteilungskommandanten, daß er, auf Befehl des Festungskommandanten, die Brennerei in das innere der Festung zu übertragen hat. Im ersten Augenblick kam uns dies al einfach undurchführbar vor; eine ganze Fabrik, mit Dampfkessel, Maschine, all den anderen Apparaten, Bottichen usw.einfach von der Stalle wegzubringen und in die Stadt zu befördern, und dies im russischen Feuer, auf Wegen, auf welchen ein leerer Wagen bis über die Achsen in den Schlamm geriet und nicht weiter konnte.
     Wir machten auch kein Geheimnis aus unseren Bedenken, der Offizier meinte jedoch lachend, er wäre ein Anhänger des Napoleonischen Grundsatzes: "Wollen heißt Können". Am selben Tage noch ruckte eine kleine Abteilung Professionisten ein und die Arbeit begann. Von Tag zu Tag konnte man genau sehen, wie die Demontierungsarbeiten enorme Fortschritte machten und wie peinlich genau sie durchgeführt wurden. Jedes, auch das kleinste Stück, jede Schraube bekam eine Nummer. Wer da hereinschaute, der konnte sein Erstaunen über diese ruhige Arbeit nicht unterdrücken, die, unbekümmert um den Donner der russischen Grananten, planmäßig vor sich ging.
     Als mich das Schicksal nach mehreren Tagen wieder in die Nähe der Brennerei brachte, war außer dem Mauerwerk nichts mehr übrig geblieben. Soldaten erzählten mit, daß gerade beim Aufladen des letzten holzernen Bottichs die Russen demselben ein Lebwohl sendeten in der Form eines Schrapnells, das dessen Wand durchbohrte, ohne sonstige Unheil anzurichten.
     So hat die Festung Przemysl ihre eigene Spiritusbrennerei an Ort und Stelle.
     Die eminente Bedeutung dieser Fürsorge von seiten des Festungskommandos mag ein weiteres Zeugnis ablegen von dessen Mannigfaltigkeit und glänzender Orientierung auch in wirtschaftlichen Fragen die Festung betreffend.

 


 

 


 

19. Jänner 1915

 

 

Przemysl

 

     Der Kriegsberichterstatter des "Pesti Naplo" meldet: Die Ausfälle der Besatzungsmannschaft haben große Erfolge, sie beunruhigen und schwächen den Feind in höchstem Maße. Der Ausfall der Honved in der Richtung Dynow brachte uns nach sechstündigem Kampfe 1200 Gefangene, die ganze Ausrüstung einer russischen Pionierkompagnie, viel Muntion und Scheinwerfer als Beute. Bei einem russischen gefangenen Offizier fand man eine Nummer der "Rußkoje Slowo", in welcher über die Belagerung Przemysls berichtet wird. Der Artikel schloß mit den Worten: "Przemysl hat uns mehr Opfer gekostet als die achttägige Schlacht von Lemberg.

 

 

 

Platzmusik in Przemysl

 
     Aus Budapest wird geschrieben: Hie ist eine Zeitung eingetroffen, die in der belagerten Festung Przemysl redigiert und gedruckt wird und die neben politischen und militärischen Informationen auch eine Nachricht enthält, die deutlicher als alle bisherigen Mitteilungen beweist, daß die Stimmung in der Festung wenig zu wünschen übrig läßt. Die erwähnte Zeitung enthält nämlich im Inseratenteil die folgende interessante Anzeige: "Heute nachmittags 4 Uhr findet auf dem Korso die übliche Platzmusik statt." Wenn man in Betracht zieht, daß die Ententeblätter fortwährend von Angriffen auf die Festung reden, und nun erfährt, daß die Bewohner Przemysls Zeit und Lust haben, sich an den heiteren Weisen der Militärmusik zu erfreuen, so wird man auch wissen, daß die belagerte Festung nicht "vor dem Fall" steht, wie man in Petersburg faselt, ja, daß die russischen Truppen nicht einmal imstande sind, der tapferen Verteidigungsarmee Przemysls und der tapferen Zivilbevölkerung auch nur für kurze Zeit die Laune verderben. Wo die Platzmusik regelmäßig erklingt, dort gibt´s keine ernste Gefahr.
 

 

20. Jänner 1915

 

 

Zusammenstoß zweier Aeroplane bei Przemysl.

Der Heldentod des Feldpiloten Malina.

 
     Krakau, 18. Januar. (Privattelegramm des "Neuen Wiener Journals".) Nachdem ein österreichischer Aviatiker in den letzten Wochen wiederholt kühne Flüge aus Przemysl unternommen hatte, ohne von den feindlichen Geshossen getroffen werden zu können, entschloß sich ein russischer Aviatiker, Hauptmann Andriewicz, den österreichischen Feldpiloten zu verfolgen. Andriewicz schrieb vor Ausführung seines Vorhabens einen Abschiedsbrief an seine Familie, verfaßte seinen letzten Willen, und als der österreichische Aeroplan über Przemysl sichtbar wurde, stieg Andriewicz in raschem Fluge auf und lenkte sein Flugzeug gegen unseren Feldpiloten Franz Malina. In kurzer Zeit erfolgte ein furchtbarer Zusammenstoß der beiden hoch in den Lüften mit großer Schnelligkeit fliegenden Apparate, die mit den Leichnamen des österreichischen Feldpiloten und dessen Begleiters und des russischen Offiziers zu Boden sausten. Franz Malina, der in dieser heldenhaften Weise seinen Tod stand, stammt aus Prag.
 

 

21. Jänner 1915

 

 

"Kriegsnachrichten" aus Przemysl.

 
Gestern ist uns ein Exemplar der Przemysler Festungszeitung "Kriegsnachrichten" zugekommen. Das Kuvert zeigt den Stempel: "K.u.k. Festungskommando in Przemysl" und die Aufschrift: "Durch k.u.k. Flieger und Feldpost".
Das Blatt selbst trägt die Nummer 78 und das Datum vom 1. Jänner 1915, weiter den Vermerk: "Genehmigt vom k.u.k. Festungskommando". Die "Kriegsnachrichten" erscheinen "in zwangloser Reihenfolge", der Preis jeder Nummer ist mit 10 Heller festgesetzt. Eventuelle Beiträge für die "Kriegsnachrichten" sind direkt an Oberleutnant Hölzer, Festungskommando, Generalstabsabteilung, 1. Stock, zu senden. Das Blatt enthält ein Leitgedicht vom Leutnant im Landwehr-Infanterie-Regiment Nr.19 Fritz Bornemann "Zur Jahreswende" und ein Sonett von Dr.L.Pick, ferner in deutscher und polnischer Sprache Radiotelegramme, die Mitteilungen von den Kriegsschauplätzen enthalten. Die Radiotelegramme über die deutschen Kriegsschauplätze sind aus datiert, wo sich bekanntlich eine drahtlose Station von großer Reichweite befindet. Schließlich bringt das Blatt noch auf seinen zwei Seiten einen meteorlogischen Wetterbericht und einen Abdruck unserer Meldung über die rechtliche Stellung der Legionäre. Das erwähnte Neujahrsgedicht des Leutnants Bornemann schließt mit folgenden Versen:

Ein Herzenswunsch gilt heute unseren fernen Lieben,
Der treuen Frau, den Eltern und Geschwistern, Kindern,
Den Anverwandten die im Heimatland geblieben:
Gott möge euch und uns der Sehnsucht Schmerzen lindern.
Wir wünschen euch im neuen Jahr nur wahrhaft Gutes!
Sind heut´ im Geist bei euch wenn wir auch fern noch bleiben.
Harrt aus in Treue, bleibt gesund und guten Mutes:
Auf Wiedersehn, auf frohes Wiedersehn ihr Lieben!
In unsre heißen Wünsche seid ihr eingeschlossen,
Ihr Kameraden all aus Oesterreich-Ungarns Gauen
Und aus dem Deutschen Reich ihr treuen Kampfgenossen:
Mögt alle ihr gesund die Heimat wiederschauen!
Mög´euch nach wildem Völkerstreit und heißem Ringen
Der Lieben treuer Blick als Sieger froh begrüßen
Und mög´das Leben euch das höchste Glück dann bringen!-
Der Wünsche Reihe soll ein Treugelöbnis schließen:
Es gilt dem Vater unsres treuen Vaterlandes,
Dem greisen Herrscher, den wir lieben und verehren.
Sein Heldenleben half die Innigkeit des Bandes,
das sich um Volk und Herrscher schlingt für ewig mehren.
Franz Josefs Ruhm und Weisheit sei gepriesen:
Das alte Heer erringt sich neue Lorbeerreiser!
Soldaten, denen er die Bahn zum Sieg gewiesen,
Laßt heut´uns beten: Gott erhalte unsern Kaiser!

 

 

22. Jänner 1915

 

 

Aus dem belagerten Przemysl.

 
Wien, 21.Januar. Aus dem Kriegspressequartier wird gemeldet: Das Kommando der Festung Przemysl hat eine weite Kreise erfreuende Neueinführung getroffen. Es werden von der Festung aus kleine improvisierte Ballons abgelassen werden, deren jedem ein Paket mit Feldpostkarten angehängt sein wird. Der Finder eines solchen Ballons, beziehungsweise Paketes, wird gebeten, die beigegebene Erklärung zu beachten und seinen Fund ungesäumt der nächsten Militärbehörde zu übergeben, die ihm eine Prämie im Betrage von 10 K. zur Auszahlung bringen wird.
 

 

23. Jänner 1915

 

 

Fliegerpost aus Przemysl.

 
     Prag, 22, Januar. (E.D.) Der städtische Arzt in Zizkov, Dr. Kothnek, erhielt von seinem Schwiegersohne, dem Leutnant Mischa, mittelst Fliegerpost eine Karte aus Przemysl, in der es heißt: " Ich teile Euch mit, daß es uns sehr gut geht. Wir haben genügend Nahrungsmittel und freuen uns auf den Augenblick des Wiedersehens." Diese Karte ist anfangs dieser Woche in Przemysl aufgegeben.
 

 

 

Przemysl.

 
Die "Nowje Wremja" meldet, daß der Generalsturm auf Przemysl bevorstehe. In der Bukowina seien die Kosaken, die man anderwärts dringend benötigte, durch Infanterie ersetzt worden.
 

 

24. Jänner 1915

 

 

 
     In diesen Tagen wird in Przemysl, wie wir einem aus der Festung stammenden Schreiben entnehmen, die hundertste Nummer der dortigen "Kriegsnachrichten" erscheinen, des Blattes, das seit Beginn der ersten Belagerung in Przemysl herausgegeben wird und das sich während der zweiten Belagerung zu einem Tagblatte entwickelt hat. Der volle Erlös aus dem Verkaufe dieser hundertsten Nummer wird, wie man uns aus Przemysl mitteilt, dem Fonds für die Witwen- und Waisen nach den in Przemysl gefallenen Soldaten und nach unseren tapferen Fliegern zugewendet werden, denen in allen an die "Oesterreichische Volkszeitung" gelangten Karten der herzlichste Dank dafür ausgesprochen wird, daß sie aufopferungsvoll die Verbindung der Verteidiger der Festung mit ihren fernen Angehörigen herstellen.
     Es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich zu vergegenwärtigen, was die Przemysler "Kriegsnachrichten" für die in der Festung weilenden Soldaten und Zivilisten bedeuten! Sie verbringen vor allem Radiogramme mit den wichtigsten amtlichen Nachrichten von den Kriegsschauplätzen, so daß die Besatzung ein wahres Bild der Gesamtlage erhält. Wie rasch die Festung über die Vorgänge in der Welt unterrichtet wird, geht daraus hervor, daß beispielsweise - der "Oesterrichischen Volkszeitung" wurden die Nummern 78 und 79 vom 1. beziehungsweise 3. d. M. freundlichst übersandt - die Nummern vom 3.d.M. bereist den offiziellen österreichischen Bericht vom 1. d. M. über die Vorgänge auf dem russischen Kriegsschauplatz und den deutschen Bericht vom 2. d. M. enthält.
     Es sind zwei einzelne Blätter in verschiedenem Format, welche die Aufschrift tragen: "Genehmigt vom k.u.k. Festungskommando." Die Neujahrsnummer enthält an der Spitze ein Gedicht "Zur Jahreswende" von Leutnant Fritz Bornemann des Landwehrinfanterieregiments Nr.19, dann folgen Radiogramme, darunter offizielle Berichte des deutschen und unseres Generalstabes, Reutermeldungen, der meteorlogische Bericht, ein Sonett von Oberarzt Dr. Leo Pick, die kaiserliche Entschließung betreffend die rechtliche Stellung der polnischen und ukrainischen Legionäre, und die Wiederholung des Nachrichtenteiles in polnischer Sprache. Als Herausgeber und Redakteur fungiert M.G.Rosenfeld, der Druck ist von Knoller u. Sohn in Przemysl bewerkstelligt. Das Blatt enthält noch den Vermerk: "Eventuelle Beiträge für die "Kriegsnachrichten" sind direkt an Oberleutnant Hölzer, Festungskommando, Generalstabsabteilung zu richten. Die Ausgabe vom 3. d. beginnt mir den Radiogrammen, als deren erstes der Armee- und Flottenbefehl vom 31. Dezember veröffentlicht wird. Dann folgen amtliche Kriegsberichte vom westlichen und östlichen Kriegsschauplatze und Reutermedlungen. Obzwar die Blätter die Aufschrift tragen: "Erscheint in zwangloser Reihenfolge", läßt Oberleutnant Hölzer, der zugleich als Redakteur und Zensor fungiert, die "Kriegsnachrichten" sowohl während der ersten wie auch während der zweiten Belagerung täglich erscheinen.
     Ein besonderes Wort verdient der Teil der "Kriegsnachrichten", der über die örtlichen Vorkommnisse in der Festung berichtet. Er enthält eine Liste der Spenden für die Witwen und Waisen der bei der Verteidigung Przemysls gefallenen Mannschaft, aus der hervorgeht, daß sich auch das Kino in der Festung guten Besuches erfreut und daß Ende vorigen Monats im großen Sokolsaale in Przemysl ein Wohltätigkeitskonzert stattfand, welches einen regen Besuch aufwies. Das Reinerträgnis im Betrage von 3047 Kronen 50 Hellern wurde vom Komitee dem Festungskommandanten mit der Widmung für die Witwen und Waisen der bei der Verteidigung Przemysls gefallenen Mannschaft übergeben, wofür der Kommandant namens der Besatzung den Dank aussprach. Schließlich ist erwähnenswert, daß jede Nummer der "Kriegsnachrichten" sogar einen meteorologischen Bericht über die Witterungsverhältnisse in Przemysl bringt. Er berichtet, daß die Temperatur am Silvestertag 0 Grad Maximum und -2 Grad Minimum, am 2. Jänner -2 Grad Maximum und -5 Grad Minimum betrug und umfaßt auch die wesentlichen übrigen meteorologischen Angaben.
     Nach dem Kriege werden die Blätter der "Kriegsnachrichten" von Przemysl sicherlich nicht nur für Sammler ein interessantes geschichtliches Dokument sein. Heute aber bringen sie uns die erfreuliche Gewißheit, daß die Stimmung der Besatzung dieses österreichischen Bollwerkes im Norden eine vortreffliche ist. Eine Festungszeitung die, indes die Kanonen donnern, wie im tiefen Frieden Berichte über Temperatur, relative Feuchtigkeit, Windstärke, Bewölkung, Barometerstand und die Prognose für den nächsten Tag veröffentlicht - das sagt mehr als die eingehendsten Stimmungsberichte sagen können . . .
 

 

 

Fliegerpostkarten aus Przemysl.

 

Ausgezeichnete Stimmung in der Festung.

 
Der Oberarzt Dr. Schächter schickte dieser Tage an seine in Wien lebenden Angehörigen zwei vom 10. und 15. d. datierte Feldpostkarten mit einem Flieger aus dem belagerten Przemysl, die charakteristisch für die glänzende Stimmung der Belagerten sind. Es heißt in den Karten: "Ich ließ Dir schon oft Nachricht durch die Lüfte zuflattern. Nun will ich Dich wieder davon überzeugen, daß du meinetwegen ganz unbesorgt sein kannst. Ich habe Vorräte im Uebermaß und überdies werden wir vom Verpflegsmagazin mit allen nötigen Lebensmittel, sogar mit Schokolade, versorgt. Holz und Kohle sind in enormen Mengen vorhanden. Winterwäsche und einen gefütterten Mantel habe ich mir hier angeschafft. Wir nähren uns reichlicher denn je zuvor, hoffentlich nimmt die Belagerung bald ein Ende, sonst trage ich eine Magenerweiterung als Siegestrophäe davon.
 

 

 

Aus dem belagerten Przemysl

 

 

Auffstieg eines unserer Flieger mit der Post nach Krakau.

 

 
Eine von der Besatzung bei einem Ausfall erbeutete russische Ballonabwehrkanone.
 

 

25. Jänner 1915

 

 

Meldungen über Przemysl.

 
Wien, 24.Jänner. Aus dem Kriegspressequartier wird amtlich gemeldet: Die Petersburger Telegraphenagentur wendet sich in einer Form nach einem Dementi ähnlichen Mitteilung gegen Angaben unseres amtlichen Communiques vom 8.d., das vorgeblich die Feststellung enthalte, daß die Festung Przemysl erfolglos angegriffen werde und daß unter den Einschließungstruppen Meutereien ausgebrochen seien. Dem "Dementi" ist die Bemerkung beigefügt, daß die Russen vor Przemysl bisher nur 60 Mann an Gefangenen verloren haben. Diese Verlautbarung entbehrt jeder Voraussetzung und Begründung. Von Przemysl war in dem amtlichen Communique von 8.d. gar nicht die Rede. Unsere offiziellen Verlautbarungen in den Monaten Dezember und Jänner hatten überhaupt nur in zwei Fällen der Festung Erwähnung getan, einmal bei Feststellung der das Kriegsrecht verletzenden Tatsachen, daß sich russische Abteilungen der österreichisch-ungarischen Uniformen bedienten, dann bei Widerlegung der russischen Zeitungsnachricht, daß die Festung Przemysl am 10. Dezember einen Parlamentär zum Feinde entsendet habe. Es hat ganz den Anschein, als ob die mit solchem Aplomb bewirkte Veröffentlichung der Petersburger Telegraphenagentur lediglich dem Zwecke diente, die Welt glauben zu machen, die Russen hätten bei Przemysl tatsächlich bisher nur sechzig Gefangene verloren - eine lächerliche Angabe, die mindestens zwanzigmal zu vervielfachen wäre, um annähernd richtig zu sein.
 

 

26. Jänner 1915

 

 

Das Leben in der Festung Przemysl

 

Wiener Neustadt, 25.Januar

Ueber das Leben in der Festung Przemysl gibt eine Fliegerpostkarte Aufschluß, welche vom hiesigen Landesgerichtsrate und Landsturmoberleutnant Dr.v.Aull von dort eingelangt ist. Er schreibt unterm 4.d.M.: "Wir sind fortdauernd eingeschlossen, werden aber von den Russen fast niemals energisch angegriffen, die offenbar gerade nur soviel Kräfte da haben, um die Einschließung aufrecht erhalten zu können und uns auszuhungers glauben. Nun, damit hat es noch sehr gute Wege. Vorläufig leben wir sogar sehr gut. Unser Major und einige andere Offiziere gehen fleißig jagen und kommen mit Rehen und Rebhühnern zurück, so daß wir hier in einem Monat mehr Wildbrett essen als im bürgerlichen Leben das ganze Jahr. Die Gärten und Felder der verwüsteten Ortschaften liefern rote und gelbe Rüben, Kartoffeln, Kraut u.s.w. Oft haben wir Tiroler Knödel, Palatschinken, Schinkenfleckerl u.s.w., kurz, wir leben sehr gut." Umterm 10.d.M. schreibt er:" Nächsten Tag werden wir vielleicht Skilaufen, eisgeschossen haben wir vor einigen Wochen. Jetzt gibt´s kein Eis . . . ."
 

 

 

 
K.Berlin, 25.Jänner. )Priv.) Der Kriegsberichterstatter der "Berliner Morgenpost" meldet aus dem österreichischen Kriegspressequartier: Die fast täglich aus Przemysl eintreffenden Flieger bringen stets neue Nachrichten aus der belagerten Festung. Die Angriffe auf die Festung haben fast vollständig aufgehört, seitdem der zu Weihnachen begonnene Artillerieangriff von den schweren Fortgeschützen in energischer Weise beantwortet wurde. Seitdem herrscht meist gänzlich Ruhe. Die Ausfalltruppen von Przemysl sind nach wie vor äußerst rührig. Rund 5000 russische Gefangene befinden sich in der Festung, 1200 davon bei den Ausfällen der Festungsbesatzung heimgebracht. Diese eroberte auch eine Menge von Munitionswagen, Feldküchen und Scheinwerfern und zwang die Russen zur Aufgabe mehrerer wichtiger Stützpunkte. Bei einem der gefangenen russischen Offiziere wurde eine Nummer des "Russkoje Slowo" gefunden, die einen Leitartikel über die Belagerung von Przemysl enthielt, der die Taktik des Generals Radko Dimitriew scharf tadelte und folgendermaßen schloß: "Die Belagerung von Przemysl kostet uns bisher mehr Opfer, als die achttägige zweite blutige Schlacht von Lemberg." Tadellos hält sich die Zivilbevölkerung, die die Garnison zu Weihnachen sogar mit einer reichen Liebesgabensammlung überraschte. Die Lebensmittelpreise sind, dank strenger Vorschriften normal geblieben. Die Cafes und Restaurants sind wie immer voller Leben, nur der Kino mußte schließen, aber nicht etwa infolge Mangels an Besuchern, sondern lediglich, weil neue Films nicht zu beschaffen waren. Wenn nicht ständig die Kanonen donnerten, würde man kaum etwas von der Belagerung merken.
 

 

27. Jänner 1915

 

 

Fliegerpostbriefe aus Przemysl.

 
Nach einer uns aus Rovereto zugegangenen Meldung erhielt die dortige Stadtgemeinde eine von 15 in Przemysl befindlichen Landstürmern des Südtiroler Landsturmregiments Nr. 10 unterschriebene Feldpostkarte folgenden Inhaltes: "Löbliche Stadtgemeinde! Wir teilen der verehrlichen Stadtgemeinde mit, daß wir, obwohl schon seit zwei MOnaten von den Russen eingeschlossen, voll Mut und Willens sind, den Feine mit aller Kraft zurückzuschlagen. Wir haben die feste Ueberzeugung, daß wir den Sieg erringen und zeichnen in dieser Hoffnung mit kräftiger Hand." Folgen die 15 Unterschriften.
A     us Dornbirn in Voralrberg wird uns gemeldet: Bürgermeister Luger erhielt von den Vorarlberger Soldaten der Festung Przemysl nachstehenden Feldpostbrief mittelst Fliegerpost zugestellt: " Geehrter Herr Bürgermeister! Aus der vom Feine vergeblich bestürmten Festung Przemysl senden wir Unterfertigte durch einen Flieger über die russischen Armeen hinweg herzliche Grüße an unsere Lieben in der schönen Heimat Dornbirn. Wir befinden uns wohl und gesund, wir haben keine Not an Kleidung, Nahrung und Unterkunft. Der Winter war bis jetzt ohne große Kälte, mehr Regen als Schnee, ganz ähnlich wie bei uns. Unsere Lieben brauchen sich um uns gar nicht sorgen. Wir stehen weiter treu auf den Wällen von Przemysl, hoffen auf endgültigen Sieg und frohes Wiedersehen."
 

 

28. Jänner 1915

 

 

Aus Przemysl.

 
Budapest, 25.Jänner. Nach einer Fliegerpost aus Przemysl steht dort alles ausgezeichnet. Die russischen Vorstöße haben fast ganz aufgehört.
Da viel Schnee liegt, treibt die dienstfreie Mannschaft Wintersport. Die russischen Feiertage verliefen kampflos, da die Russen auch unsere Feiertage respektierten.
 

 

29. Jänner 1915

 

 

Briefe aus Przemysl.

 

Aus unserem Leserkreise kommen uns heute zwei interessante Fliegerpostbriefe aus der Festung Przemysl zu, die so recht zeigen, daß unsere Braven dort durchaus nichts von Unbehagen spüren. Sie fühlen sich ganz heimisch, richten es sich - soweit eben tunlich - behaglich ein und was die Briefe besonders charakterisiert, ist der ungetrübte Frohmut und die unzerstörbare Zuversicht, von denen unsere Truppen in Przemysl, trotz Zernierung und trotz Russennähe, so voll und ganz erfüllt sind.

 

I.

     Die Lage ist unverändert. Die Russen verhalten sich sehr ruhig und antworten nur, wenn sie "gefragt" werden. Wir haben starke und stark vorgeschobene Positionen, die ihnen den Sturm auf die eigentliche Festungslinie überhaupt unmöglich machen. Diese vorgeschobenen Positionen versuchen sie manchmal anzugreifen; da sie jedoch von den übrigen Werken das Feuer in den Rücken bekommen, so können sie an diese Stellungen absolut nicht heran und ziehen sich dann allemal, um eine neue Schlappe reicher, schleunigst zurück. Unlängst hatten sie eine unseren Positionen gegenüberliegende Höhe besetzt. Da jedoch diese Höhe von allen Seiten unter furchtbares Feuer genommen werden kann, mußten sie, ohne daß wir gestürmt hätten, diesen Platz räumen. Nun nahmen die Russen als todsicher an, daß wir diese von ihnen geräumte Höhe besetzten, und schossen zwei Tage lang wie wild drauflos, bis sie endlich darauf kamen, daß überhaupt niemand dort sei. Mit solchen Witzen vergeht die Zeit.
     Vor zwei Wochen haben die Russen angefangen, von Aeroplanen herab Bomben zu werfen. Allerdings mit wenig Glück, da sie nicht, aber schon gar nichts trafen. Als Hauptzielpunkte hatten sie sich unsere verschiedenen Magazine ausersehen. Nun, in wenigen Tagen hatten unsere Leute gelernt, auf Aeroplane zu schießen, und jetzt wagen sich die Russen nicht mehr über die Stadt, denn jedesmal müssen sie schleunigst umkehren. Diesen Kunden wären wir also glücklich los. Er zeigt sich nicht mehr. Oder nur höchst selten. Vorgestern war auch wieder ein Aeroplan da. Dem ging es gar nicht gut. Er wurde beschossen, getroffen und blitzschnell sauste er zur Erde nieder. -
       Vor einigen Tagen war ein großer Ausfall, der zwei Tage dauerte und den Feind um fünzehn Kilometer zurückschlug. Da haben wir den Russen unerwartet große Verluste beigebracht. Mit guten Fernrohren sieht man sie auf eine Entfernung von zehn bis zwölf Kilometern spazieren, exerzieren usw. - Durch ihre Flieger lassen sie uns ab und zu höchst geistreiche Aufrufe zukommen, in welchen russische Siege verzeichnet stehen über solche Truppen, die zufällig gerade in Serbien kämpfen. Sie lassen uns darin wissen, daß sie Ungarn vom österreichischen Joch befreien wollen, und ähnliches blödsinniges Zeug. Was aber die Russen nicht hindert, sich mehr als bereitwillig gefangen nehmen zu lassen. Die russischen Gefangenen haben es aber auch gut bei uns, sogar baden dürfen sie. - Das Wetter hier ist sehr mild und angenehm, um 7 Uhr früh +6 Grad Réamur.     Unsere Messe ist ausgezeichnet: zu essen gibt´s gut und reichlich. Es ist also offensichtlich, daß man daheim gar keinen Grund hat, für uns oder unser etwaiges Unbehagen hier zu fürchten. Und ich wollte bloß, daß Ihr zu Hause ebenso guter Laune wäret, wie ich und wir alle es hier sind. Ich kann nichts als versichern, daß es einem im Krieg überhaupt nicht besser gehen kann.
 

II

 
Wir hören Kanonnendonner. Das spricht eine heiße Sprache von den Kämpfen der Unseren mit den Russen im fernen Westen und Süden. Auf die Werke schießen die Russen überhaupt nicht. Gerade zu Weihnachten gelang es uns, die Russen aus einer ihrer Positionen zu werfen. Auf der verlassenen Stelle fanden wir einen großen Bogen Papier. Beschrieben.
Die zurückweichenden Russen hatten uns folgenden Brief zurückgelassen:

"Wir, die 5. Kompagnie der rten Artilleriebrigade, wünschen den tapferen Verteidigern von Przemysl ein angenehmes Weihnachtsfest. Friede mit allen auf Erden! Wir wünschen uns sowohl als auch Euch, daß dieser fruchtbare Krieg bald ein Ende nehme . . .!

Die Russen lassen sich in Scharen gefangen nehmen. Und die Stimmung, die sie aus ihren Reihen herüberbringen, verglichen mti unserem wirklich unerschütterlichen Siegesbewußtsein, unserer frohen Unbesorgtheit und unserer tatkräftigen Liebe zur gerechten Sache, erhöht unsere Zuversicht und unser freudiges Vertrauen in die Unseren und in unseren endgültigen, ruhmbedeckten Sieg von Minute zu Minute. Seid ruhig. Und verlaßt Euch ganz auf uns. Uns tut kein Russ´ etwas. Denn bis die kommen . . .

Das ist die Stimmung derer von Przemysl.
 

 

31. Jänner 1915

 

 

Der Kampf um Przemysl.

 
     Die furchtbaren Verluste, welche die heldenmütige Besatzung der Festung Przemysl den Russen bereits zugefügt hat und noch zufügt, sobald sie in den Bereich der Festungsgeschütze gelangen, beziffern sich - erste vergebliche Berennung mit eingerechnet - auf rund 95.000 Mann. Und dennoch ist Przemysl noch nicht im Besitze des Feindes. Die Möglichkeit einer Einnahme schwindet immer mehr, dann das Gefüge der russischen Streitmacht in Westgalizien und in den Karpathen lockert sich bereits zusehends und es ist nicht anzunehmen, daß auch im Falle neuerlicher Stürme auf die Festung die Zeit dazu ausreichen würde, um die zur Bezwingung eines festen Platzes notwendigen Vorbereitungen treffen zu können. Nach den letzten Meldungen über die Kriegslage in den Karpathen und Welstgalizien kann man vielmehr mit gutem Grunde darauf schließen, daß die Zeit, welche den Belageren noch zur Verfügung steht, kaum auslangen werde, Przemysl früher zu Fall zu bringen, ehe sich das Geschick der russischen Armeen in Galizien entschieden hat.
      Zur ersten Belagerung standen dem General Dimitriew nach den letzten Angaben sieben Divisionen und ein Kavalleriekorps zur Verfügung. Nunmehr ist der Stand der Belagerungsarmee, wie aus russischen Nachrichtenquellen hervorgeht, bedeutend verstärkt worden, so daß man nicht fehlgehen wird, die Zahl der Belagerer mit 200.000 Mann zu beziffern. Die Verteidigung der Festung wird als Musterbeispiel in der Kriegsgeschichte hingestellt werden können und die Ereignisse, die sich hier abspielen, regen in der Sprache der Ziffern und Zahlen schon jetzt zu einem Vergleiche mit ähnlichen Operationen während der letzten 100 Jahre an.
      Die russischen Verluste erreich bereits eine so hohe Zahl, daß sie den Verlusten in den blutigsten Schlachten der letzten drei Jahrhunderten recht nahe kommen. So betrug der russische Gesamtverlust bei Mukden 96.000 Mann, bei einer Streiterzahl von 310.00 Mann. Die russischen Verluste bei Przemysl übertreffen jene in der Schlacht am Schao um das Doppelte, obgleich daselbst 355.000 Mann sich gegenüberstanden. Sie übertreffen die Verluste in der Schlacht bei Borodino aller daselbst beteiligten Heere.
 
     In Bezug auf die Stärke der größten Einschließungsarmeen seit 300 Jahren steht die Belagerung von Przemysl an zweiter Stelle, denn nur bei der Belagerung von Paris betrug die deutsche Einschließungsarmee mehr als die russische vor Przemysl, nämlich 240.000 Mann, während Wien (1638), Sewastopol (1854/55) und Metz (1870) von höchstens 200.000 Mann eingeschlossen waren. Ein Vergleich mit der Belagerung von Port Arthur ergibt, daß die japanische Belagerungsarmee 140.000 Mann betrug, während der Verteidiger über 40.000 Mann verfügte. Beide Ziffern decken sich ziemlich mit dem Kräfteverhältnisse zwischen dem Belagerer und dem Verteidiger von Przemysl während der ersten Belagerung, die bekanntlich am 11. Oktober d.J. aufgehoben werden mußte. Die Verluste der Japaner vor Port Arthur beliefen sich auf 29.000 Tote und Vermißte und auf 60.000 Verwundete. Dort wurde aber vom Belagerer der Zweck erreicht, im Falle von Przemysl steht aber die Erreichung desselben noch in weiter Ferne und doch haben die Russen bereits 95.000 Mann verloren. Schon heute stellt die Belagerung von Przemysl einer der größten Episoden in der Weltgeschichte dar.
 

 

 

Die Belagerung von Przemysl.

 
Bukarest, 30.Jänner. (Tel. d. "Fremden Blatt".)
Die "Independance Roumaine" beschäftigt sich in seiner jüngsten Nummer mit der Kriegslage und schreibt u.a.: Es ist überraschend, daß in den letzten zwei Monaten die Belagerung Przemysls nicht vorgeschritten ist. Es ist offenkundig, daß die Russen keine solchen Mörserbatterien besitzen, die mit den österreichisch-ungarischen Batterien die Konkurrenz aufnehmen könnten. Die Blätter ergehen sich sodann in Worten des höchsten Lobes über die hervorragenden Leistungen der österreichisch-ungarischen Truppen.
 

 

 

Przemysl.

 
    Bald werden es hundert Tage sein, daß Przemysl zum zweitenmal von den russischen Heeresmassen eingeschlossen wurde. Bekanntlich hatte die Ende Oktober notwendig gewordene Neugruppierung der in Russisch-Polen operierenden Armeen der Verbündeten in den ersten Novembertagen auch die Zurücknahme unserer Armeefront in Mittelgalizien zur Folge gehabt, wodurch Przemysl neuerdings in die Lage kam, sich als das uneinnehmbare Bollwerk zu bewähren, das die moskowitische Flut auch diese Mal vergebens umbranden sollte. Sinnfällig hat sich die hohe Bedeutung der großen Lagerfestung am San für die Verteidigung Galiziens in diesem Existenzkampfe der Monarchie erwiesen. In hervorragender Weise hat die Festung beide Male die Aufgabe erfüllt, das eigene Heer durch Bindung starker feindlicher Kräfte zu entlasten, einen wichtigen Raum trotz der gegnerischen Uebermacht zu behaupten und dem Feine eine Hauptverbindungslinie zu sperren. Mitten in der russischen flut, die Mittel- und Ostgalizien bedeckt, haben die ganze Zeit hindurch unsere Fahnen stolz über dem Lande weiter geweht, hoch gehalten von der tapferen Besatzung Przemysls, und alle Versuche des Feindes, sie niederzuholen, sind ergebnislos geblieben, und werden es auch weiterhin bleiben.
      Die Anstrengungen der Russen zur Bezwingung der starken Sanfeste, die ihnen seit jeher so unbequem mitten auf dem erträumten Siegeswege nach Wien und Budapest lag, datieren schon Jahrzehnte zurück. Ein Heer von Spionen war Jahr für Jahr an der Arbeit, die starken und schwachen Seiten Przemysls auszuspähen, um hiedurch dessen Widerstandsfähigkeit schon im Frieden zu untergraben, und dann im Kriege den russischen Sturmkolonnen den leichtesten Weg ins Herz der Festung zu weisen. Als am 2. Oktober Radko Dimitriew, der Kommandant der russischen Belagerungsarmee, es wagte, den Verteidiger Przemysls ohneweiters zur Uebergabe aufzufordern, glaubte er vielleicht, mit Hilfe der Scheinergebnisse eines schimpflichen Spionagesystems bereits des Weges zum Erfolg sicher zu sein. "Das Glück hat die k.u.k. Armee verlassen", schrieb der bulgarische Ueberläufer an den österreichisch-ungarischen Festungskommandanten. Zehn Tage später sah er sich selbst vom Glück verlassen auf dem Rückzug und mehr als 70.000 Mann hatte die russische Armee in ergebnislosen Sturmangriffen vor Przemysl liegen gelassen, eine Einbuße, die einer verlorenen Hauptschlacht gleichkam.
     Die furchtbaren Verluste, die der Versuch, Przemysl durch einen gewaltsamen Angriff zu erobern, den Russen eingetragen hatte, machten diese bei der zweiten Belagerung vorsichtiger. Sie halten sich jetzt in respektvoller Entfernung, wagen nur selten Angriffe auf die vorgeschobenen Werke und beschränken sich meist darauf, die Ausfälle der tapferen und unermüdlichen Besatzung abzuwehren. Ihre Hoffnung ist, daß der Hunger sie diesmal an jene Ziel bringen wird, das sie bei dem ersten Kampf um Przemysl durch die Gewalt ihrer Waffen nicht zu erreichen vermochten. Aber die jetzigen Hoffnungen der Russen werden sich als ebenso trügerisch erweisen, wie die früheren, denn Przemysl wird von den russischen Heeren weder durch Waffengewalt noch durch Aushungerung bezwungen werden. Die heutigen Verbindungsmittel gestatten es uns, über die Lage der Festungsbesatzung ständig auf dem Laufenden zu bleiben. Die Belagerung eines festen Platzes hat keine derart hermetische Absperrung mehr zur Folge, wie dies in früheren Zeiten der Fall war, wo Nachrichten nur ganz ausnahmsweise durch einzelne kühne Männer, denen es gelang, sich durch die Linien der Belagerer zu schleichen, nach außen gelangten. Schon bei der Belagerung von Paris wurde von der Verbindung durch Ballons und Brieftauben ziemlich großer Gebrauch gemacht und heute, im Zeitalter der drahtlosen Telegraphie und der Eroberung des Luftraumes, ist auch die strengste Umschließung zu Lande nicht mehr imstande, eine belagerte Festung von der Außenwelt gänzlich abzuschließen. Und so erfahren wir z.B. durch die Fliegerfeldpost genau, wie es heute in dem von den Russen eingeschlossenen Przemysl aussieht und wie es vor allem um den Geist der Besatzung bestellt ist. Das, was wir zu hören bekommen, kann uns mit der größten Beruhigung und gleichzeitig Befriedigung erfüllen. Die Zuversicht, die aus jeder der vielen, oft humorvollen Kundgebungen spricht, die aus der Festung nach außen gelangen, zeigt uns, daß die Besatzung sich ihrer militärischen Wertüberlegenheit über die sie einschließenden Russen voll bewußt und nach wie vor zu kraftvollster und aktivster Verteidigung des ihr anvertrauten Platzes bereit ist. Die Losung dieses Krieges "durchhalten" wird von den tapferen Verteidigern der Festung in heldenmütiger Weise befolgt und der Kampf um Przemysl, der schon heute von einer reichsdeutschen Stimme als eine der größten Episoden der Weltgeschichte bezeichnet wird, kann in diesem Sinne als Symbol des ganzes Krieges angesehen werden. Sowie hier die tapfere Besatzung ohne Zagen den Kampf gegen die Uebermacht des sie einschließenden Feindes aufgenommen hat und ihn mit Ehren bis zum siegreichen Ende führen wird, so stehen auch die beiden Kaisermächte mit eingegrabenen Absätzen in der Mitte Europas, entschlossen, diesen ihnen von einer Uebermacht aufgezwungenen Kampf durchzuhalten, bis die erschöpften Gegner besiegt zurückweichen.
 

 
 
 

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