10. November 1914

 

   
 

   
     

 Leonhard Adelt, der Kriegsberichterstatter des "Berl. Tageblatt", schreibt aus dem österreichisch-ungarischen Kriegspressequartier unter dem 7. November:
     Die beiden amerikanischen Militärberichterstatter, ferner die ausländischen Zeitungskorrespondenten italienischer, schweizerischer, dänischer und amerikanischer Nationalität sind gleichzeitig mit mir von Przemysl ins Hauptquartier zurückgekehrt. Als wir die Festung verließen, setzte dort gerade eine neue Kampfphase ein, welche die Russen mit verstärkter Tätigkeit ihrer Artillerie und dem Vorstoß auf Medyka einleiteten.
     Die österreichisch-ungarische Armee parierte mit Operationen, die eine straffere Konzentration mit der Festung als Zentrum bezwecken. In den letzten Wochen wurden sämtliche Beschädigungen der Außenforts aus der Zernierungszeit ausgebessert. Der tapfere Verteidiger des Werkes "1,1", Janko Sorluga, ein fünfundzwanzigjähriger Leutnant, der bei Kriegsausbruch die Oberleutnantcharge erhielt, wurde jetzt zum Hauptmann befördert. Der äußere Fortgürtel wurde weiter durch zahlreiche feldmäßig, eilweise auch fortmäßig befestigte Deckungen und gedeckte Batteriestellungen verstärkt.

 

 Es gingen zahlreiche Transportzüge mit Verwundeten und den nichtbenötigten Elementen der Zivilbevölkerung Przemysls nach Ungarn, Wien, Westgalizien und Mähren ab. Dort werden sie in Barackenlagern untergebracht und entsprechend beschäftigt. In umgekehrter Richtung brachten Güterzüge große Mengen Mehl, Zwieback und andere Vorräte nach Przemysl. Selbst drei Waggons Bier langten in der Garnison an.
     Die Stimmung der österreichisch-ungarischen Armee ist trotz der vorübergehenden Rückschläge in Russisch-Polen unverändert entschlossen und zuversichtlich. Das eine Zeitlang winterlich kalte und trübe Wetter ist nochmals frühlingsmild geworden. Auf russischer Seite hatte der mißlungene Sturm auf Przemysl, für den die Russen jetzt einen Verlust von siebzigtausend Mann zugegeben, anscheinend bedeutsame Änderungen in den höheren Befehlsstellen zur Folge. Russische Gefangene erzählen, General Radko Dimitrijew sei vom Armeekommando abberufen, seine Dekorierung durch den Zaren solle lediglich dem Ausland gegenüber die Unzufriedenheit mit ihm verbergen.

 
 

     

   
     

KB. Wien, 9. November. Aus dem Kriegpressequartier wird gemeldet: Die von amtlicher russischer Seite verbreiteten Nachrichten über den Umfang der russischen Verluste bei Przemysl sollen durch die folgende, auf authentischen Daten basierte Darstellung auf ihre Richtigkeit geprüft werden.
     Über das blutige Ringen um die Festung Przemysl, die dem russischen Ansturm über drei Wochen standhielt, bis unsere heranrückende Feldarmee den Einschließungsring sprengte und die Festung von ihren Bedrängern befreite, wird sich erst in späterer Zeit ein dem Heldenmut und der Tapferkeit beider kämpfenden Parteien völlig gerecht werdendes Bild entwerfen lassen. Heute läßt es sich kaum überblicken, was auf einem Umfang von etwa 50 Kilometer Länge menschlicher Opfermut und Kampfesleidenschaft in 23 kampferfüllten Tagen zu vollbringen vermochten.
     Wenn es strittig sein kann, welcher der beiden Parteien die schwerere Nervenprobe aufgebürdet wurde, dem immer enger umklammerten, an seinevon der gegnerischen Artillerie immer heftiger beschossenen Stellungen gebunden Verteidiger oder dem in der Wahl des Raums freieren, aber gegen alle Tücken raffinierter Befestigungstechnik kämpfenden Angreifer, so unterliegt es gewiß keinem Zweifel, daß den Russen naturgemäß die weit überwiegend opferreichere Aufgabe erwuchs, ganz abgesehen davon, daß ihr Unterfangen angesichts des Herannahens einer Entsatzarmee die noch ganz intakten Werke der Gürtellinie mit stürmender Hand nehmen zu wollen, die Zahl er Opfer auf eine ganz ungewöhnliche Höhe anschwellen ließ.

Wie die Russen ihre Verluste zu verbergen suchten.

     Es ist begreiflich, daß Rußland, trotzdem bei dessen ungeheuren Menschenreservoir das Einzelschicksal nie eine Rolle gespielt hat, die großen Verluste eines gescheiterten Unternehmens vor der Öffentlichkeit zu verhüllen trachtet. In dieser Absicht und gleichzeitig wohl auch aus hygienischen Gründen war es vom Anfang an das eifrige Bestreben der Belagerungsarmee, die Gefallenen so rasch wie möglich zu begraben oder minestens zu verscharren. Diese Arbeit vollzog sich in der ersten Phase der Einschließung vom 16. September bis zum 4. Oktober leicht.

Die Arbeit unserer Artillerie.

     In diesen neunzehn Tagen war die Verteidigungsartillerie unbestrittene Herrin der Situation. Sobald eine der sich heranschiebenden Kolonnen, deren Annäherung dank den weit vorgeschobenen Vorposten der Besatzung niemals unbemerkt blieb, in den Feuerbereich der Gürtellinie kam, bedeckte sich die Marschlinie bald mit Toten und Verwundeten. Jeder Unvorsichtigkeit, jedem Versäumnis guter Deckung beim Beziehen von Kantonierungen, bei Anlage von Batterien und bei Seitenverschiebungen folgte die Strafe auf dem Fuß. Welch große Wirkungen hiebei erzielt wurden, insbesondere von den sehr bald wie das höllische Feuer gefürchteten 30.5 Zentimeter-Mörsern, spiegelt sich in den Aussagen der Gefangenen wider.
     Bezeichnend für die große Fernwirkung der Festungsartillerie sind die Verluste bei der 82. Reserveinfanterie-Division, die hinter dem nördlichen Teile des Einschließungsringes in zweiter Linie stand und bis zum Schlusse als Reserve diente, somit an dem eigentlichen Angriffe gar nicht teilnahm und nur teilweise durch den Ausfall der Besatzung am 4. Oktober getroffen wurde. Hier verlor eine Kompagnie des 327. Reserveinfanterieregiments von 250 Mann 114, nahezu die Hälfte, an Toten und Verwundeten. Das 328. Reserveinfanterieregiment derselben Division mußte am 6. Oktober früh infolge eines Überfalles mit Artilleriefeuer fluchtartig die Aufstellung verlassen und in eine rückwärtige Deckung zurückweichen.
     Im selben Raume wurde am 8.Oktober russische Artillerie, die im Walde Podgora nördlich von Batycze stand, fast vollständig vernichtet. Mit dem allmählichen Vorschieben der Russen in das Vorgelände der Festung setzte die offensive Tätigkeit der Besatzung ein, welche zwecks Zeitgewinn das Vorhaben des Feindes mit größeren und kleineren Ausfallsunternehmungen störte. Ein besonders vom Glück begünstigtes Unternehmen war der Ausfall am 25. September an und südlich der nach Grodek führenden Reichsstraße unternommen wurde. Die Russen wurden überrascht und rasch zurückgetrieben, bis heraneilende Reserven die Gefechtslinie verstärkten, die allgemach auf zwei Infanteriedivisionen anwuchs. Während des vier Stunden währenden Kampfes bot sich der Artillerie der Gürtelfront vielfach Gelegenheit zum erfolgreichen Eingreifen.

Vernichtung ganzer Bataillone.

     Größere Abteilungen des Feindes, die sich auf den Höhen südlich Medyka zu halten suchten, kamen bald in größte Verwirrung, schwankten ratlos hin und her, da sie keine Möglichkeit sahen, sich vor dem allseits einschlagenden Artilleriefeuer in Sicherheit zu bringen. Besonders hatte jener Teil der russischen Front zu leiden, dem die unumgänglich nötige Festhaltung des großen Waldes östlich Bykow zufiel. Keines der dort kämpfenden Regimenter konnte sich längere Zeit in dem höchst wirksamen Hagel von Artilleriegeschossen behaupten, der auf den Waldrand niederging. Nur der Rücksichtslosigkeit, mit welcher stets neue Regimenter in diese jede Gruppe rasch zu haltloser Schlacke ausbrennende Hölle getrieben wurden, dankten die Russen den Besitz dieses Waldes. Dieses vierstündige Gefecht kostete den Russen über 3000 Mann - wenn man den Gefangenen glauben darf, sogar weit mehr - da ganze Bataillone im Feuer zusammengebrochen sein sollen.
     Wieviele Opfer an Toten und Verwundeten die ganze erste Einschließungsphase bis 4. Oktober forderte, läßt sich überhaupt auch nicht annähernd schätzen, da sich die Verlustfelder weit außerhalb des Gürtels befanden und sich die Wirkung des Artilleriefeuers in den meisten Fällen der direkten Beurteilung entzog. Erst der Entsatz machte einen größeren Teil dieser Räume zugänglich, doch ist die Ermittlung der Grabstellen nicht leicht. Nicht viele sind durch Hügel gekennzeichnet, die meisten eingeebnet, und es verraten sich nur jene, wo in der Hast des Abzuges ein einfaches Verscharren an die Stelle des Beerdigens trat, durch Herausragen von Armen oder Beinen aus der mittlerweile gesetzten Erde. Ob die aufgefundenen Grabstellen einzelne oder mehrere Leichen beherbergen, ist nicht zu ermitteln. Gerade die Räume aber vor der Ostfront, insbesondere der große Wald östlich Bakow, wo das Artilleriefeuer die reichste Ernte hielt, wurde von den Russen behauptet und es entzieht sich die Zahl der dort beerdigten Kampfesopfer völlig der Schätzung.
     Während somit für den Einleitungskampf jede verläßliche Basis für eine Angabe fehlt, wie hoch sich der russiche Verlust belief, der aber jedenfalls sehr ansehnlich war, ließ der am Oktober früh begonnene gewaltsame Angriff wegen der Nähe des Kampfraumes Beobachtungen zu, die wenigstens annähernd einen Schluß auf die Opfer dieses Unternehmens zulassen.
    

       Um ein rasches Vorschreiten bis auf die kleinen Gewehrschußdistanzen zu ermöglichen, drangen die Russen am 5. Oktober im Südosten, Süden und Norden der Festung mit großen Massen vor, die vielfach über ganz ungedeckte Räume vorgetrieben wurden. Die Verteidigungsartillerie hatte reichlich Gelegenheit zu mörderischer Wirkung. Gefangene berichteten als Augenzeugen, daß die Geschütze mit unheimlicher Präzision schossen und einzelne Projektile acht und selbst zwölf Mann niederstreckten. Auch Infanterie- und Maschinengewehrfeuer fand bereits an diesen Tagen Gelegenheit, mit Erfolg einzugreifen.

Furchtbare Wirkung unserer Minen.

     Die Nacht benutzen die beiden gegen die Südfront angesetzten Korps und die gegen die Südfront vorgehende dritte Schützenbrigade, um sich bis an die Drahthindernisse heranzuarbeiten, dabei fortwährend von der Gürtellinie aus mit Geschützen, Maschinengewehr- und Infanteriefeuer heftig beschossen. Von Scheinwerfern beleuchtet, boten die Russen an vielen Stellen außerordentlich gute Ziele, insbesondere vor den Hindernissen, wo ganze Bataillone niedergemäht wurden, ehe sie sich einzugraben vermochten. An manchen Orten türmten sich die Toten und schreienden Verwundeten zu Hügeln. Zur Wirkung des Feuers gesellten sich zahlreiche Minen, deren Explosion ganze Reihen niederschmetterte.
     Die Angriffskolonnen hätten die Schrecken jener Nacht nicht zu überstehen vermocht, wenn nicht starke Reserven nachgeschoben worden wären, die jedoch auch nicht ungestraft die Artilleriezone zu durchschreiten vermochten. Das gegen die Nordfront entwickelte Korps vermochte mit seinen vorderen Treffen (12. Infanterie- und 78. Reserve- Infanteriedivsion) nur bis auf etwa 700 Schritte an den Gürtel heranzugelangen und kam auch in der Folge nicht darüber hinaus.
     Am 6. Oktober arbeiteten sich die Angreifer an der Südost- und Südfront mit Sauppeurarbeiten durch die Hindernisse, bis auf etwa 200 Schritte und noch näher an die Werke heran.

Von der eigenen Artillerie beschossen.

     Bei allem Unglück konnten sie es oft nicht vermeiden, daß sie in flankierendes Artilleriefeuer kammen, dessen Wirkung sie nicht auszuhalten vermochten und ihr Heil in der Flucht suchten, was sie jedoch in vernichtendes Infanterie- und Maschinengewehrfeuer brachte. Wie Gefangene berichten, litten die Angreifer in dieser Zeit häufig auch durch die eigene, die Hindernissezone und die Werke beschießende Artillerie.
     Der Feuerkampf und die Annäherungsarbeit währte die ganze Nacht zum 7. Oktober fort. Sie wurde gleich der vorigen von den Russen dazu benützt, die Verwundeten zurückzuschicken und die Toten zu verscharren.

Vernichtung eines russischen Bataillons in einem Fort.

     Am 7. früh geschah der erste Sturm, wobei ein Bataillon des 76. Infanterie-Regiments in das Werk I/1 eindrang; die übrigen 3 Bataillone versuchten, in die zunächst liegende Intervalle einzudringen. Das Battaillon wurde mit Ausnahme von 149 Mann, die sich ergeben mußten, vernichtet, die anderen Bataillone konnten infolge schwerer Verluste nicht weiterkommen. Nicht besser erging es den anderen Sturmversuchen, welche die Russen am 7. unternahmen, so jenes des 73. Infanterie-Regiments - wie das vorige zur 19. I.T.D. 12. Korps gehörend - des benachbarten 274. I.R. der 69. Res.I.d. (21.Korps), des 238. Res.I.R. (60. Dion, 10.Korps). Von der 13.I.T.D. schmolz das 49. I.R. so zusammen, daß die Kompagnien nur 60 und 100 Mann zählten und Reserveleutnants Bataillone führen mußten.
     Die dritte Schützenbrigade geriet bei Sturme auf die Südfront in ein so verheerendes Feuer, daß sie in Auflösung bis nach Grochowce zurückflutete, wo sich kaum mehr als 50 Mann per Kompagnie zusammenstanden.

Wie die Russen die eigenen Truppen vortreiben.

     Als es Abend wurde, war die Angriffslust der Russen völlig zusammengebrochen. Jammer und Geschrei verriet die Deckungen, wohin isch die abgeschlagenen Stürmer mit ihren Verwundeten zurückgezogen hatten. Das sonst bewährte Mittel, die Truppen durch eigenes Schrapnell- und Maschinengewehrfeuer das Zögernde und Zaghafte rücksichtslos niederstreckte, vorzutreiben, verfing nicht mehr. Unter solchen Umständen mußte der für den 8. geplante letzte verzweifelte Sturmversuch gänzlich unterbleiben. Der Angriff war gescheitert, ehe noch die Entsatzarmee herangekommen war und zur Aufhebung der Einschließung zwang.

Das Wegräumen der Toten.

     Während dieses dreitägigen Ringens büßten die Russen vor der Nordfront gering gerechnet 9700 Mann an Toten und Verwundeten ein, vor der Südfront 2000. Am ärgsten sah es aber vor der Südfront aus, gegen welche die größten Anstrengungen gerichtet waren. Trotzdem die Russen bis zum 7. früh zuverlässig alle Toten beerdigt und die Verwundeten weggeschafft hatten und auch in der Nacht zum 8. eine diesbezügliche eifrige Tätigkeit zu beobachten war, fanden die Patrouillen, die am 9.vorsichtig im Vorgelände vordringen konnten, jedoch nicht mehr als etwa 1000 Schritte zurückzulegen vermochten, Hunderte von Leichen auf ihren jeweiligen Wegen, in der Gesamtheit zwischen 4 und 5000, deren Wegschaffung seitens der von den Russen während der Nacht vorgetriebenen Arbeiterabteilungen die Zeit bis zum 18. in Anspruch nahm. Jeder Versuch unserseits, durch Mitwirkung unserer Truppen und selbst durch Gefangenenabteilungen das Wegräumen der Toten zu beschleunigen, wurde von den Russen eifersüchtig mit Schrapnellfeuer verhindert. Für uns blieb nur die geringe Zahl jener zu beseitigen, die bis in die Gürtellinie vorgedrungen waren und dort den Tod fanden, es waren in der Gegend von Sidlicka 612. Jene in den Gräben und Hindernissen vor den Werken mußten wegen des sofort einsetzenden feindlichen Feuers ihrem Schicksal überlassen werden. Bei einer einzigen Schanze der Südfront wurden deren allein 350 abgezählt.

70.000 Russen bei Przemysl gefallen.

     Hält man sich die Verhältnisse vor Augen, so muß es als sicher gelten, daß die von russischer Seite stammenden und in den unter russischer Zensur stehenden Lemberger Zeitungen veröffentlichten Angaben, die Russen hätten bei Przemysl 70.000 Mann verloren, viel zutreffender erscheinen als unsere anfängliche Schätzung 40.000. Wenn man amtlicher russischer Stelle die Stirn hatte, dies zu bestreiten und als hundertfach übertrieben hinzustellen, so erscheint dies als umso dreister, als während der Belagerung vom 18. September bis 10. Oktober allein 1403 Russen Gefangenen gemacht und in die Festung gebracht wurden.

     

 

11. November 1914

 

 

 
Wien 11.Nov., 3 Uhr 45 Min. nachm. Amtlich wurde gemeldet: Die Operationen auf dem nordöstlichen Kriegsschauplatze entwickeln sich planmäßig und ohne Störung durch den Feind. In dem von uns freiwillig geräumten Gebieten Mittelgalizien sind die Russen über die untere Wysloka über Rseszow und im Raume von Liska vorgerückt. Przemysl ist wieder eingeschlossen. Im Stryjtale mußte die feindliche Gruppe vor dem Feuer eines Panzerzuges und überraschend aufgetretener Kavallerie unter großen Verlusten flüchten.
 

 

 

425 Tapferkeitsmedaillen für die Besatzung von Przemysl

 
Ein Freund unseres Blatte schreibt uns aus Przemysl vom 2. d. M.: Gestern haben wir die Gräber der gefallenen und von unserer Front beerdigten Helden mit Blumen geschmückt und beleuchtet; heute vormittag wurde über meine Veranlassung für die meinem Kommando unterstehenden Leute (zwei Kompagnien meines Bataillons, das erste Bataillon eines Tiroler Landsturmregiments und 50 Artilleristen) eine Feldmesse zelebriert. Nach derselben heftete ich 8 Mann in feierlicher Weise die ihnen für tapferes Verhalten vor dem Feinde verliehenen Tapferkeitsmedaillen an die Brust. Im ganzen wurden an die Mannschaft der Besatzung von Przemysl 425 goldene und silberne Tapferkeitsmedaillen verabfolgt.
 

 

12. November 1914

 

 

 

 

 

 
Wien, 12. November. Aus Prag wird gemeldet: "Bohemia" veröffentlicht einen Brief aus Przemysl, in welchem es heißt, daß die Besatzung einer zweiten Belagerung mit großer Zuversicht entgegensieht. Ungeheure Vorräte von Munition und Lebensmitteln sichern die Festung auf Monate hinaus. Das Herannahen des Feindes wurde an dem immer stärker werdenden Kanonendonner erkannt. Zwei russische Flieger überfolgen bereits das Fort.
 

 

 

 
     Zum zweitenmale innerhalb weniger Wochen ist jetzt die Festung Przemysl vom Fein umschlossen. Unsere Truppen haben, entsprechend der angeordneten Neuordnung der verbündeten Streitkräfte das nördliche Mittelgalizien geräumt und den Russen das Gebiet der unteren Wisloka überlassen. Die gestrige Meldung des österreichischen Generalstabes berichtet, daß die Russen bereits über Rzeszow und Lisko vorgerückt sind. Damit ergibt sich, wenn man von den geänderten Verhältnissen im Karpathenvorland und in der Budkowina absieht, ungefähr das gleiche Bild wie während der ersten Belagerung von Przemysl. Wesentlich ist jedoch, daß wir diesmal unsere Truppen im Stryjtal weit vorgeschoben haben und nördlich von Czernowitz am Pruth halten.
     Die Wiener Blätter bringen heute von militärischer Seite nachstehende Darstellung der allgemeinen Lage:

     Den felsenfesten Stützpunkt unseres rechten Flügels bildete die Festung Przemysl, an deren heldenhaft verteidigten Forts sich der Ozean der moskowitischen Menschenmassen unter Hekatomben von Opfern brach. Im Osten der Festung zogen aber inzwischen die Verbündeten neue Kräfte heran und nun begann die erfolgreiche Wiederholung der Offensive, welche im Süden den Entsatz Przemysl brachte und die Russen über den San warf, weiter nördlich aber die deutsch-österreichische Armee mit wunderbarem Elan bis an die Weichsel bei Iwangorod und Warschau führte.
     Zwischen diesen beiden Festungen und dem östlichen Ufer des San hatte inzwischen das Zarenreich aus seinem ungeheuren Menschenreservoir auch die letzen turkestanischen und ostsibirischen Reserven herangezogen und auf diese Weise erneut die Oberhand an Zahl an sich gerissen. Wieder ließ sich ein Zurücknehmen der verbündeten Heere angezeigt erscheinen, hauptsächlich deshalb, um durch Verkürzung der Etappenlinien, deren Sicherung starke Kräfte der Front entziehen mußte, die Zahl der Kampftruppen zu erhöhen.
     Die gegenwärtige strategische und taktische Situation kann mit der Lage zu Beginn Oktober verglichen werden. Auch jetzt ist die tapere und beispiellos widerstandsfähige Festung Przemysl abermals von allen Seiten zerniert und wird sich ganz gewiß mit dem gleichen Löwenmute verteidigen wie vor sechs Wochen.
     Die Berichte über die gegenwärtige Situation können nicht verblüffen. Die Lage in Galizien stellt eine der schon gewohnheitsmäßig beurteilten Phasen in dem ungeheuren Hin und Her der einander bis jetzt die Wagschale haltenden Kräftefaktoren dar. Die vollkommen planmäßige und zielbewußte Durchführung der letzten strategischen Operationen hat auch die ungeteilte Anerkennung der hervorragendsten Militärkritiker des neutralen Auslandes gefunden.


     Die zweite Belagerung von Przemysl kommt nicht unerwartet. Sie war auch nach den letzten Meldungen der ausländischen Kriegsberichterstatter vorauszusehen, die am 7.d.Mts. die Festung verlassen hatten. Schon damals leiteten die Russen eine neue Kampfphase mit einem starken Vorstoß auf Medyka ein, der aber von uns pariert wurde. Przemysl ist während der letzten Wochen zweifellos abermals verstärkt worden.
  Was die erste Belagerung an Schaden an den Außenforts angerichtet hat, ist längst ausgebessert und erneut worden. Es wurden im äußeren Fortsgürtel zahlreiche feldmäßige, befestigte und teilweise auch fortmäßige, befestigte Deckungen und Batteriestellungen angelegt und der Feind findet heute einen noch stärkeren und widerstandfähigeren Gegner als das erstemal.
     Die Geschichte er ersten Belagerung von Przemyls ist ein unvergängliches Ruhmesblatt in dem goldenen Buch diese Feldzuges. Und sie gibt uns das Vertrauen, daß die Festung auch in dem zweiten, jetzt bevorstehenden Kampf das starke, uneinnehmbare Bollwerk gegen den russichen Vorstoß nach Westen sein wird

 Ueber die Ereignisse in der Bukowina und in Polen liegen heute keine neuen Meldungen vor. Bemerkenswert ist eine englische Aeußerung über die Neuordnung der verbündeten Armeen in Polen; während alle anderen englischen Blätter den Rückzug der Oesterreicher und Deutschen von Warschau als eine Niederlage für diese hinzustellen sich bemühen, warnt die "Morningpost" die Engländer davor, den augenblicklichen russischen Erfolg zu übertreiben:
     Die Rückwärtsbewegung der deutschen und österreichischen Truppen ist weniger eine Folge der russischen Strategie, als die Ausführung des wohlüberlegten Planes der deutsch-österreichischen Befehlshaber, in der Linie Kalisch-Krakau eine starke Stellung einzunehmen, eine Stellung, die mit weniger Truppen zu halten ist als die frühere. Die deutsch-österreichische Truppenmacht beabsichtigt sicher, auf dem östlichen Kriegsschauplatz zur Defensive überzugehen, um mehr Truppen aus dem Osten nach den Westen senden zu können.
     Das genannte Blatt beschäftigt sich auch eingehend mit den russischen Vorstößen beim Wyszyter See bei Kili und kommt zum Schluß:
     Nachdem auf dem russischen Kriegsschauplatz vor einigen Tagen ein starker Vorstoß über die Warthe zurückgewiesen worden ist, ist nunmehr auch der nördliche Vorstoß, der den Marsch auf Königsberg zum Zweck hatte, völlig gescheitert. Nordöstlich von Goldap, in der Nähe des Wyszytersees, brach der Vormarsch zusammen.    

Ueber unsere Rückzugslinie in Polen und über die dort geschaffene Lage urteilt der Militärkritiker der "Leipziger Neuesten Nachrichten":
     Die Rückzugsrichtung ist anscheinend nicht in direkt westlicher, sondern mehr in südwestlicher Richtung erfolgt, so daß die Russen nicht, wie sie ursprünglich beabsichtigt hatten, mit ihrer Hauptmacht gegen Deutschland vorstoßen konnten, sondern gezwungen waren, diese gegen Südwesten einzusetzen. Daß sie dies nur sehr ungerne getan und widerwillig ihre ursprüngliche Operationsrichtung aufgegeben haben, geht auch aus dem Umstande hervor, daß sie den zurückgehenden Verbündeten nur zögernd und langsam folgten. Sie konnten aber nicht ihre ursprüngliche Marschrichtung beibehalten, weil sie sich sonst der Gefahr ausgesetzt hätten, von den Verbündeten in vernichtender Weise in der linken Flanke angegeriffen zu werden. Durch das Vorgehen der Verbündeten in Russisch-Polen gegen die Weichsellinie und alsdann durch das Ausweichen vor den überlegenen Kräften ist erreicht worden, daß die russische Armee von dem geplanten Hauptangriff gegen Deutschlands Ostgrenze abgedrängt und mit allen Kräften in die von den Verbündeten vorher bestimmte Front gebunden wurde. Dies muß als ein großer Erfolg der Kriegführung der Verbündeten bezeichnet werden. Unter allen Umständen ist dadurch Zeit gewonnen, die auch namentlich in dem Hinblick auf die Ereignisse in Nord-Frankreich von hoher Bedeutung ist. Dort reisen die kriegerischen Ereignisse immer mehr der Entscheidung entgegen und ist diese erst einmal gefallen, so bietet sich vielfache Möglichkeit, den Russen alsdann ebenbürtige Kräfte entgegenzuwerfen. Daß die Russen bis zu diesem Zeitpunkte von den deutschen Grenzen ferngehalten werden, und daß die Kämpfe sich lediglich auf feindlichem Gebiete abspielen, ist ein erneuter Beweis für die zielbewußte und geschickte Heeresführung der Verbündeten.

 

 

 

 
Budapest, 12. November.

     Honvedleutnant Architekt Hoenel überbrachte dem Museum in Ungarisch Altenburg eine Steinsäge aus der Steinzeit, die er bei den Befestigungsarbeiten in Przemysl ausgegraben hat.
 

 

13. November 1914

 

 
Der Erbauer der Festungswerke von Przemysl.
Von unterrichteter Seite wird uns geschrieben: Ueber die Person des Erbauers der Festungswerke von Przemysl FML. Moritz R. von Brunner wurden in jüngster Zeit vielfach Mitteilung gemacht, die einer Richtigstellung bedürfen. Im nachstehenden werden die authentischen Daten über FML. v. Brunner angegeben: Brunner wurde im Jahre 1859 aus der Genieakademie zu Klosterbruck bei Znaim zum 1. Genieregiment als Leutnant ausgemustert. Im Jahre 1866 baute er während des Krieges ein Fort der Lagerfestung Olmütz, wofür ihm der Ausdruck der Allerhöchsten Zufriedenheit zuteil geworden war. Späterhin war er bis zum Jahre 1887 in der achten Abteilung des Kriegsministeriums und als Lehrer an der Technischen Militärakademie tätig. Sodann begann seine praktische Schaffensperiode, indem er zuerst zur teilweisen Rekonstruktion der Festung Trebinje und hierauf nach Przemysl berufen wurde. Dortselbst arbeitete er das Programm für die Modernisierung dieses Platzes aus, von welchem er einen großen Teil ausführte. Den Abschluß der Modernisierung leitete der verstorbene GM. Albin Juda und der jetzige Festungskommandant von Komorn FML. Johann Meister. Im Jahre 1894 wurde Brunner ins Kriegsministerium berufen, woselbst er bis zu seinem 1904 erfolgten Tode zuerst als Vorstand der achten Abteilung, dann als Sektionschef verblieg. Parallel mit seinem dienstlichen Schaffen erwarb sich FML. von Brunner einen Weltruf als Verfasser fortifikatorischer Schriften und Lehrbücher welche in viele fremde Sprachen übersetzt wurden. Nebst vielfachen Allerhöchsten und fremdländischen Auszeichnungen wurde ihm auch die goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft zuteil. Noch nach seinem Tode wurde Brunner durch die Huld des Kaisers dadruch ausgezeichnet, daß ein Fort der Festung Przemysl den Namen "Fort Brunner" erhielt.
 

 

14. November 1914

 

 
Ein Brief aus der Festung Przemysl.
Die "Bohemia" veröffentlicht einen vom 4.Nov. datierten Brief aus Przemysl, der folgende interessante Mitteilungen enthält:
     Die Zivilbevölkerung wird abermals aufgefordert, Przemysl zu verlassen, denn wir gehen höchstwahrscheinlich einer zweiten Belagerung entgegen. Wir sind aber guten Mutes und hoffen, daß sich die Russen wieder die Zähne ausbeißen werden. Wir haben in den letzten Tagen ungeheure Muntionstransporte gehabt und unglaubliche Berge von Vorräten, so daß die Festung wieder auf Monate hinaus ruhig aushalten kann. Seit vorgestern hören wir schon starkes, ununterbrochenes Kanonenfeuer, die Vorzeichen des Heranrückens des Feindes. Gestern waren zwei feindliche Aeroplane hier, die von einem Fort mit Schrapnells beschossen wurden. Doch sie waren zu hoch. Wir waren gerade draußen: sie flogen genau über uns hinweg. Wir haben auch Schüsse abgegeben, konnten jedoch nicht sehen, ob die Flieger getroffen wurden. Jedenfalls gingen sie irgendwo herunter. Ich hoffe, daß ich die zweite Beschießung ebens0 gut aushalten werde, wie die erste. Granaten und Schrapnells folgen herüber, sehr viele überuns, doch zum Glück ohne viel Schaden anzurichten, Kanonen haben wir bessere als die Russen . . ."
 

 

16. November 1914

 

 
Die zweite Belagerung von Przemysl.
     RB. Wien, 15. November. Amtlich wird verlautbart: 15. November, mittags. Die Verteidigung der Festung Przemysl wird, wie bei der ersten Einschließung, mit größter Aktivität geführt. So drängte ein gestriger größerer Ausfall nach Norden den Fein bis in die Höhe von Rokientnica zurück. Unsere Truppen hatten bei dieser Unternehmung nur minimale Verluste.
 

 

18. November 1914

 

 

 

 

19. November 1914

 

 
Krakau und Przemysl.
 
Die tapfere Besatzung von Przemysl hat ihre Tätigkeit wieder begonnen. Der Fein wurde bereits bei einem größeren Ausfall nach Norden bis in die Höhe von Rokietnica zurückgedrängt. Damit ist die Einleitung der neuen Kämpfe vor Przemysl gegeben und das russische Belagerungsheer wird nun fortgesetzt unter Beunruhigungen durch die Oesterreicher zu leiden haben. Das mit schweren Opfern verbundene Berennen einer Festung von der Stärke Przemysls - die erste Belagerung hat dem Feinde bekanntlich 70.000 Man gekostet - im Vereine mit fortgesetzten Ausfällen nur die Russen schwächen, sodaß sie immer wieder neue Kräfte vor Przemysl ins Treffen führen werden. Damit ist der Zweck der Festung, feindliche Kräfte zu binden und damit die Macht des Feindes zu schwächen, erfüllt.
 

 

20. November 1914

 

 
Przemysl und Krakau.
 
Wien, 17. Nov. Die Festungen Przemysl und Krakau sind so gut versorgt, daß sie viele Monate, ja ein Jahr dem feindlichen Angriffe trotzen können.
 

 

21. November 1914

 

 

 
Die amtliche Verlautbarung unseres Generalstabs von gestern mittags besagt:
Gestern erreichten die Verbündeten in Russisch-Polen überall Erfolge. Die Entscheidung ist noch nicht gefallen. Die Zahl der gefangenen Russen nimmt zu.
Vor Przemysl erlitt der Feind bei einem sogleich abgeschlagenen Versuche, stärkere Sicherungstruppen näher an die Südfront heranzubringen, schwere Verluste.
 

 

23. November 1914

 

 

Die Belagerung von Przemysl.

 

Ein anschauliches Bild über die einzelnen Episoden der Belagerung von Przemysl gibt ein uns zur Verfügung gestellter Brief des Oberleutnants in der Reserve Dr.M.aus Innsbruck, den wir hier mit einigen Auslassungen wiedergeben. Der Brief ist datiert vom 12. Oktober.

     Vor drei Wochen ungefähr kamen wir in diese Gegend und wurden in einem großen Barackenlager hier in . . . . , das ist ungefähr eine Stunde südlich von Przemysl, eingeordnet. Wir mußten mit anderen Kompagnien abwechselnd außerhalb des äußeren Festungsgürtels hinaus auf Vorposten, immer einen Tag draußen, einen Tag herinnen "Ruhe", einen Tag Bereitschaft. So ging es weiter. Von den ruhigen Tagen aber mußten uns nahezu alle durch besondere Unternehmungen genommen werden. Auf den Vorposten machten wir Schützengräben, jede Kompagnie, die hinauskam, arbeitete ein wenig daran, so daß wir schließlich für Offiziere und Telephonstationen zwei bis drei ganz wohnliche Hütten zustande brachten und die Mannschaft wenigstens den nötigsten Schutz gegen Regen, Wind und Kälte erhielt; denn an dieser hatten wir sehr viel zu leiden.
      Das ganz flache Hügelgelände um uns war frei gemacht; die Wälder alle niedergeschlagen, die Ortschaften niedergebrannt, um freien Ausblick zu haben und den Russen das Verstecken möglichst zu erschweren, dann das verstehen sie. Sie sind selbst auf freiem Felde, besonders in Aeckern, wenn auch die Ernte schon lange vorüber ist, nicht zu finden. Die rücken nur nachts vor und graben sich mit unglaublicher Schnelligkeit Löcher in den Boden, der freilich ganz weich und lehmig ist und daher die Arbeeit sehr erleichtert. In diesen Löchern, die man meist aus der Ferne gar nicht wahrnimmt, passen sie, lassen am liebsten den Gegner auf 100 bis 200 Schritte oder noch weniger herankommen und feuern dann drauf los. Man sieht von ihnen höchstens rasch einen Kopf auftauchen und wieder verschwinden. Dazu haben sie eine Uniformfarbe (hell graugrün), die ausgezeichnet den Landschaftsfarben angepaßt ist, so zwar, daß man die Kerle von der Umgebung kaum unterscheidet. Die niedergebrannten Ortschaften lieferten uns Holz und die nötigste Einrichtung. Die Hütten bauten wir tief in den Boden ein, damit das Dach wenig über ihn herausragt und möglichst kugel- und schrapnellsicher waren.
     Der Dienst war meist recht anstrengend, zum Teil durch die ständige Wachsamkeit, weil die Russen immer näher kamen, zum Teil durch den fortwährenden Telephonverkehr mit den Befestigungswerken, am meisten aber in regnerischen und windigen Nächten.
     Flüchtlinge aus den niedergebrannten Ortschaften machten uns viel zu schaffen, da man im Festungsbereiche keine Zivilbevölkerung mehr hinein- oder herauslassen sollte. Dazu kam noch die streng anbefohlene große Achtsamkeit auf die Verdächtigen, denn mit Verrätern wurde nicht viel Federlesens gemacht. Wir haben uns übrigens mit diesem traurigen Handwerk der Exekution wenig zu befassen gehabt.
    

      Als die Russen die Kreise immer enger zogen, wurde es immer ungemütlicher. Wir blieben als Besatzung innerhalb der die Festungswerke umschließenden, durch mehrfache dichte Drahtzäune und dahinter liegende Schanzen geschützten Verteidigungslinien, wo man allerdings auf die meist in der Morgen- und Abenddämmerung anschleichenden Russen verflucht aufpassen mußte. Inzwischen begann auch der Kampf der Werkbatterien mit der russischen Artillerie, die ausgezeichnet verdeckte Stellungen inne hatte und aus Entfernungen schoß, für welche unsere Festungsgeschütze nicht hinreichten. Wir standen beim südlichsten Festungswerke, Gstyn genannt, das glücklicherweise nur von Felgeschützen und, wie gesagt, aus weiter Entfernung beschossen wurde. Ein Teil der Mannschaft war in den Schanzen, ein Teil in den in di Erde gebauten Schanzenunterkünften zusammengepfercht. Ueber uns ständig das unheimliche Sausen und Krachen der Schrapnell und Granaten die von zwei Seiten kamen.

An die Drahtzäune versuchten sich die Russen einzeln oder in kleinen Gruppen heranzudrängen. Unsere Landsturmmänner, besonders die Jäger und Wilderer pfefferten die Kerle tüchtig nieder; das war auch unser Glück. Denn man muß wissen, wie die Russen vorgetrieben wurden. Von den russischen Offizieren ging keiner vor. Die für das Zerstören der Drahtzäune bestimmten Leute wurden dafür in der Weise in Stimmung erhalten, daß hinter ihnen Maschinengewehre aufgestellt waren, woraus den Umkehrenden der sichere Tod winkte.
      Schwierig war in diesen Tagen wegen des sehr gefährdeten Zubringens auch die Verpflegung. Am 28. Oktober nachmittags kam gerade die ersehnte Mittagsmenage, da hieß es ausrücken zu einem Ausfall. Ich wurde mit drei anderen Kompagniekommandanten ins Werk befohlen, um die Weisungen entgegenzunehmen. Schon beim Platze vor dem Werke schnellte und pfiff es in der Luft unheimlich, man kannte sich nicht aus, aus welcher Richtung die Geschosse kamen. Bald darauf zogen wir hinaus. Mich traf es mit einer Kompagnie, oben beim Werke vorzurücken. Ich mußte die Leute wegen des starken Feuers einzeln durch die Drahtzäune hinauslassen. Es waren noch nicht viele draußen, da hätten die nächsten bald den Mut verloren. Ich nahm sie mit und so ging es rasch vorwärts, bis wir in gleicher Linie mit den anderen Kompagnien waren. Das Feuer wurde immer heftiger und nun begann auch die russische Artillerie salvenartig auf unsere Linie zu schießen, und zwar aus einer Richtung, aus der sie niemand von uns vermutet hätte. Jetzt ging ein schauerliches Krachen, Pfeifen, Platzen rings um uns los, links und recht von mir sah ich meine Leute getroffen zusammenzucken mit schmerzhaft verzerrtem Gesichte. Es war nur mehr ein Warten auf den Tod, der jedem von uns sicher schien. Ich sah, daß hier kein Halt mehr war, wollte aber nicht, daß meine Kompagnie den Anfang machte. Endlich begann eine Kompagnie unter uns den Rückzug anzutreten. Da waren auch meine Leute nicht mehr zu halten. Ich blieb am Platze und ließ durch Unverletzten zwei Verwundete neben mir in den äußerst kurzen Pausen zwischen je zwei Artilleriesalven verbinden. In solchen Pausen sprang ich dann zurück, mich immer wieder flach auf den Boden legend. So kam ich langsam wie durch ein Wunder unverletzt als einer der letzten in die Schanzen zurück.
     Nach diesem Gefechte zogen sich die Russen zurück, da sie wußten, daß das Entsatzheer von Westen herannahte. Anderntags bezogen wir wieder die Vorpostenstellungen, die kurz vorher die Russen eingenommen hatten und es wurde das Gebiet immer ruhiger. Nur gegen Südosten dauert noch das Artilleriefeuer an. Die Russen decken eben ihren Rückzug. Denn das Entsatzheer rückte an und bekämpfte die Russen mit Erfolg.
     Die Russen konnten wegen des aufgeweichten Bodens ihre schweren Geschütze nicht verwenden. Ein anderes im Osten von Przemysl gelegenes Fort ist von diesen schweren Kanonen arg mitgenommen worden, konnte sich aber doch halten.

 

 

24. November 1914

 

 
Besonders erfreulich sind die günstigen Mitteilungen, die heute über die Haltung Przemysls gemacht werden und die das Vertrauen, das man in dieses starke Bollwerk setzte, rechtfertigen. Ueber den letzten Ausfall der Besatzung Przemysls veröffentlicht der "Az Est" nähere Angaben:
"Unsere Verteidigungstruppen in Przemysl haben während der jetzigen zweiten Belagerung der Festung, um den Erfolg der Angriffe zu vereiteln, einen wuchtigen Ausfall auf den Feind gemacht. Darüber berichtete schon unser Generalstab. Die in der Meldung unseres Generalstabchefs-Stellvertreter v. Höfer vom 20. November erwähnte Kriegsoperation ist glänzend gelungen: sie war überraschend und heftig und wurde gleichzeitig von dem furchtbar vernichtenden Feuer der gesamten Artillerie Prezemysls gedeckt. Laut Mitteilungen von militärischer Seite waren die Verluste der Russen bei dieser Gelegenheit größer, als während der ganzen Dauer der ersten Belagerung.
Einer unserer Militärflieger kehrte mit der Nachricht aus Przemysl zurück, daß die Stimmung der Verteidigungstruppen die denkbar beste sei, die Forts sind unbeschädigt und die Nahrungsmittel für ein ganzes Jahr ausreichend.
Von militärischer Seite wird dem Berichterstatter des genannten Blattes weiters mitgeteilt, daß Przemysl ebenso wie Krakau uneinnehmbar seien und wenn Krakau unter Belagerungsfeuer käme, es auch nur ein neues Massengrab des Feindes werden würde, aber bis zu Ende standhielte wie Przemysl. Diese zwei Festungen können uneinnehmbar genannt werden.
 

 

26. November 1914

 

 

 

 

Gruß aus Przemysl

 
Der Kriegsberichterstatter des " B. T." Leonhard Adelt schildert in einem fesselnden Briefe seine Fahrt von der jetzt neuerlich belagerten Festung nach Ungarn.

Rückkehr ins Hauptquartier.

Am Tage, an dem mir der Befehl zur Rückkehr ins Hauptquartier übermittelt wurde - einem mürrischen und windgefegten Novembertage - , fuhr ich vom Flugplatz aus noch einmal nach Radymno-Jaroslau zu hinaus. Von Medyka herüber brüllten schon die russischen Geschütze, aus dem Flugpark rollte, rasch und exakt aufgepackt, der Train der beiden Fliegerkompagnien - der eine auf der Landstraße nach Westen, der andere der Stadt Przemysl zu, die verschleiert in das Tal des San gebettet lag. Von der Südfront kamen die Festungshaubitzen zurück, die man aus den unbeschäftigten Westforts in das Feld vorgeschoben hatte, schwerfällig polternd und in Tücher eingeschlagen, al ob sie in der Kälte frieren möchten. Auf den Straßen nach Westen streckte der große Train der dritten Armee zögernd seine Fühler vor.
Aus der Eintönigkeit der nackten braunen Aecker und zerstampften Getreidefelder wuchsen melancholisch viele kleine Kreuze, jedes mit einem noch frischen grünen Kranz. Wir kamen durch ein Dorf, das ganz zerschossen war. Durch die Granatlöcher sah man die Hütten - sah Menschen in den Trümmern ihre Alltagsarbeit verrichten. Aus dem hohen Schornstein einer Brauerei hatten die Grananten Riesenringe gemünzt, die in den ganz abgedeckten Maschinenraum gekollert waren. Ein nahes Schlößchen, das geschmacklos alle Stile mischt und nüchterne Kamine über Türmchen, Erker, Zinnen setzt, war wie von einem gewaltigen Beil zerhackt. Durch die gesprungenen Fensterscheiben waren Schrappnellstücke in das ausgeräumte Innere gespritzt; im Garten hatten Granaten die jungen Obstbäume ausgegraben. Das Außenfort, das diese eisernen Knechte sandte, war vortrefflich eingeschossen.

Russische Schützengräben.

Rings in großen Bogen zogen sich die Schützengräben, aus denen man die Russen geworfen hat, und in die sie jetzt zurückgekehrt sind. Die Gräben sind schmal und mannstief und in kurzen Abständen auf Mannslänge mit Zweigen und Erde zugedeckt. In diese Senkkanäle kriechen die abgelösten Schützen als in ihr Bett. Die russischen Offiziere haben weiter rückwärts etwas größere, mit Brettern überdachte Höhlen.

Die neuen Befestigungen in Przemysl.

Zweihundert Schritt vor den russischen Gräben deuteten kleine flache Mulden die Deckungen der Unseren an, die sich in aufgelösten Schwärmen herausgepirscht haben. Wie unvollkommen und hilflos schüchtern diese Deckungen noch sind! Aber weiter rückwärts, auf die Festungslinie zu, schaut es heute schon ganz anders aus. Jenseits der Vorposten und der Wache, die uns Feldruf und Losung abverlangte, setzte als Verbindung zwischen den Forts eine gliederstarke Kette neuer Fortifikationen ein, die in diesen Tagen entstanden sind. Ihre dem Feinde zugekehrte Vorderseite zeigt nichts als wiesengrüne Hügelkämme, herbstlich gelber Laubdächer, Waldränder und Buschwerk. Aber als unser Auto den mit Aesten und wurzellosen Bäumchen kaschierten Höhenweg mit ihrem Rücken passierte, tat sich uns die Wahrheit dieser Scheinwelt aus, die Kulisse ist und doch auch wieder nicht. Da tragen die Kiefern am Waldrand Jägerstände als Auslug für den Beobachter, unter den Laubdächern harren die offenen Mäuler blanker Kanonenrohre des Winkes, der ihnen Atem, Stimme und Schicksalsmacht verleiht, und in die lehmgelbe Rückseite der grünen Hänge wurden Höhlen eingelassen, die mit Blech schräg abgedacht sind und in denen helle Schmiedefeuer flackern.
Eine Hütten- und Höhlenstadt gab uns langgezogen das Geleit, mit Wohnungen und Werkstätten aller Gewerke: Blechschmied, Schlosser, Zimmermann, Bäcker, Fleischer, Schuster, Schneider. Sogar Aborthäuschen waren zu sehen - so sauber, wie man das sonst in Galizien nicht eben häufig trifft. Wo Wald und Hügelkuppe genügend Deckung geben, sind die Quartiere oberirdisch; wo sich das Vorfeld flach und rasant bis zum Gegner dehnt, versinken sie in die Erde - nur ihre Schornsteine schauen schmauchend heraus. Dazwischen trauern wieder Kreuze toten Kameraden nach.

Hinter den beiden, katholischen und orthodoxen, Kirchen von Zurawica, deren Turm und Kuppel wie mit dem Messer abgeschnitten sind, hinter dem Dorf, dessen Strohbedachte Hütten lauter Kasernen und Spitäler wurden, züngelten uns aus den Scharien der mit Ziegel und Beton verstärkten Wälle die Mündungen der Feldschlangen entgegen. Russen, heran! Das einemal war ihnen nicht genug - sie wollten es noch einmal versuchen. Drüben, vor jenem Fort, das man von hier mehr ahnt als sieht, lagen damals viele tausend vorwärts gepeitschte Russen, niedergemäht von dem mörderischen Feuer unserer schweren Festungsgeschütze und zierlichen Maschinengewehre. Das blutige Meer der Opfer hob und senkte sich in Wellen unter den verzweifelten Anstrengungen der Verwundeten, die sich von der Schicht der Toten über ihnen freizumachen suchten und sich im letzten wahnsinnigen Krampf in sie verbissen.

Die Evakuierung der Stadt.

Im Tal funkelte das abendliche Przemysl wie in Diamanten auf. Aber als wir in die Stadt einfuhren, waren die Geschäfte auf Befehlt geschlossen, und die herabgelassenen Rolläden gaben den Straßen ein trübseliges und trauervolles Ansehen. An den Straßenecken klebten gelbe Zettel: ein Aufruf der Bezirkshauptmannschaft forderte die Elemente der Zivilbevölkerung, deren man militärisch nicht benötigte, zum Verlassen der Festung auf. Nur Proffesionisten, Restaurateure, Kaffeesieder durften bleiben. Die Evakuierten sollten in bereitgestellten Bahnzügen nach Mähren gebracht und dort entsprechend beschäftigt werden. Kommissäre gingen von Haus zu Haus und stellten fest, ob die Zurückbleibenden sich mit Lebensmitteln für drei Monate versehen hatten. In den Straßen griffen Gendarmen ruthenische Erdarbeiter und jüdische Flüchtlinge auf und schoben sie zum Bahnhof ab. Die vielen großen Mietshäuser, die als Spitäler dienen, hielten ihre Tore offen; in Automobilen, Droschken, Bauernwagen, Omnibussen wurden die Verwundeten und Kranken in den Sanitätszügen übergeführt.

Kino und Lebensmittelteuerung.

Mit grellen Lichtergirlanden prunkte nur das Kino - das einzige, das noch spielen darf: italienische Kavalleriekunststücke, ein kitschiges Mimodrama, Kriegsbilder des Grafen Kolowrat und die Hinrichtung zweier Hochverräter - widerwärtige Hängeszenen, denen man in Verkennung der Masseninstinkte abschreckende Wirkung zuzuschreiben scheint.
Der Rausch der abgeschlagenen Gefahr und des Triumpfes, der noch den trübsten Nebentag mit einem goldenen Schimmer übergossen hatte, war verfolgen; die Faust des Krieges pochte wieder an die Forts und Türen. Die Festung ist mit Lebensmitteln und Proviant reich versehen. Im Güterbahnhof stauen sich Züge voll Mehl und Zwieback, die in den letzen Tagen über Chyrow eingelaufen sind. Rar sind nur die Dinge des Luxus, teuer manche Genußmittel: es kosten ein Liter Milch 1 Krone, ein Kilo Butter 7 Kronen, ein Kilo Salami 8 Kronen, ein Liter Rum oder Schnaps 9 Kronen, eine Schachtel Zündhölzer 1 Krone, eine Schachtel Schokolade 9 Kronen. Drei Waggins Bier, die am Tage vor meiner Abreise anlangten, dürften mittlerweile längst ausgetrunken sein.

Auszug mit den Malthesern.

Wir verließen Przemysl auf einem der sechs musterhaft ausgestatteten Sanitätszüge des Souveränen Maltheser-Ritterordens, Großpriorat für Böhmen und Oesterreich. Kommandant des Zuges war Prinz Croy, der Neffe der Erzherzogin Isabella; sein Assistent Baron Laudon ist ein Nachfahr des berühmten Feldherrn. Wir fuhren mit gelöschten Lichtern durch die Nebelnacht. Irgendwo im Unbestimmten grollte die Schlacht; an kleinen, gegen den Feind zu abgedeckten Feuern kauerten, silhoutenhaft belichtet, einzelne Soldaten, Wir kamen nach Ungarn und snden in der ersten Stadt nach den vielen dürren Tagen die langentbehrte Gastfreundschaft dieses gesegnetes wieder.

 

 

Zur Lage in Przemysl

 
Wien, 26. Nov. Gestern vormittags langten an hiesige Angehörige von in Przemysl eingeschlossenen Heeresangehörigen Feldpostkarten ein, die von Fliegern befördert worden waren. In einer heißt es: Es geht uns sehr gut, habt gar keine Sorge!
 

 

27. November 1914

 

 

Przemysl

 
Nach italienischen Berichten wird Przemysl nur durch die feindliche Artillerie beschossen. Infanterieangriffe finden nicht statt. Wegen er trüben Erfahrungen, die die russische Infanterie vor Przemysl schon einmal machte. Aus Przemysl ist reichlich für ein Jahr mit Lebensmitteln versorgt. Die Stimmung der Besatzung ist ausgezeichnet. Ein Fliegeroffizier teilt dem Kreigsberichterstatter des "AzEst" mit, Przemysl sei ebenso wie Krakau für die Russen uneinnehmbar. Die Besatzung entfalte eine lebhafte Tätigkeit und treibe die Russen durch unablässige Gegenangriffe immer wieder auf dem Vorfelde der Festung zurück.
 

 

Aus der Belagerung Przemysl. Vergebliche Stürme der Russen.

 
Wien, 27. November. Das "Fremdenblatt" schreibt: An zuständiger Stelle ist vom Armee-Oberkommando die Mitteilung eingelangt, daß die zweite Belagerung Przemysl für den Feind bisher keine Fortschritte gebracht hat und daß die Forts der Festung trotz des wütenden Ansturmes der Russen keinen wesentlichen Schaden erlitten. In der Meldung eines Stabsoffizieres von Przemysl wurde an das Armeeoberkommando mitgeteilt, die Situation der Verteidiger sei eine solche, daß man wegen des weiteren Schicksals der Festung nicht beunruhigt sein brauche.
 

 

28. November 1914

 

 

Russische Angaben über die Belagerung von Przemysl.

 
Rom, 23. November. Die "Tribuna" veröffentlicht über die Belagerung von Przemysl, augenscheinlich aus russischer Quelle, folgende Einzelheiten: Es wird Mitteilung gemacht über die beiden Ausfälle der Besatzung, die zur Folge hatten, daß die Russen gezwungen waren, viel größere Heereskräfte gegen die Festung zusammenzuziehen, als sie anfangs planten, und diese Truppen auch nur auf 12 Kilometer Distanz sich der Festung nähern konnten. Die Russen richten gegenwärtig ein heftiges Artilleriefeuer gegen die Festung, um die Besatzung zu einem größeren Verbrauch der Artilleriemunition zu zwingen.
 

 

Die Belagerung von Przemysl.

 
Nach einer Meldung der "Nowoje Wremja" wird Przemysl von mächtigen russischen Belagerunggeschützen heftig bombardiert. Nach einer Petersburger Meldung des "Corriere della Sera" wirkt vor Przemysl auch japanische schwere Artillerie mit. Da ein neuer Sturm auf die Festung zu viel Opfer kosten würde, zieht der russiche Generalstab die Beschießung vor.
 

 

Die Belagerung von Przemysl.

 
Rom, 26. November. Die "Tribuna" veröffentlicht von der Belagerung Przemysls offenbar aus russischer Quelle stammende Einzelheiten. Es wird die Mitteilung gemacht von einem Ausfall der Besatzung, der zur Folge hatte, daß die Russen gezwungen waren, viel größere Heereskräfte gegen die Festung zusammenzuziehen, als sie anfänglich geplant hatten, und daß diese Truppen sich nur auf 12 Kilometer der Festung nähern könnten. Die Russen richten gegenwärtig ein heftiges Artilleriefeuer gegen die Festung, um die Besatzung zu einem größeren Verbrauch der Munition zu zwingen. Die Russen wollen schon in den nächsten Tagen einen Sturmangriff gegen die Festung richten, weil sie zufolge russischer Berichte am 6. Dezember, dem Tage des hl. Nikolaus, auf der Festung Przemysl die russische Fahne aufstecken wollen. (Nach dem russischen Kalender fällt der 6. Dezember um 13 Tage später wie bei uns. D.R.) Das Blatt meldet nach einer Bukarester Nachricht, daß der Kommandant der Festung Przemysl den Russen die Uebergabe der Festung angeboten habe, welche jedoch die Bedingungen des Festungskommandanten nicht angenommen hätten. Der österreichisch-ungarische Botschafter in Rom hat diese Nachricht in der nächsten Nummer des Blattes kategorisch dementiert und zugleich die Mitteilung gemacht, daß die Verteidigung der Festung in der aktuellsten Weise fortdauert und daß die Russen bereits große Verluste erlitten haben.
 

 

Die erste Belagerung Przemysls.

 

Vor Przemysl standen die Russen zu Hauf,
Die starke Festung zu fällen,
Sie setzten die feste Hoffnung darauf,
Doch standen dort hinter den Wällen,
Die mutigen Krieger für Ehre und Pflicht,
Die scheuten die drohenden Russen nicht.

Und Radko Dimitriew pocht auf die Macht,
Des Heeres vor Przemysls Toren.
Sein Bote hatte die Nachricht gebracht,
Die Festung sei sicher verloren,
Sie strecke die Waffen, so will es der Zar,
Da sprach der Führer der tapferen Schar:

"Den schimpflichen Antrag achte ich nicht,
Nicht Antwort erteilt meine Würde."
Dann traf die Russen ein schrecklich Gericht,
Zu strafen die freche Begierde
Zehntausende fielen in jedem Sturm.
Die Festung stand wie ein Felsenturm.

Bald floß in Strömen das dampfende Blut,
Schon türmten sich berghoch die Leichen,
Doch konnte Dimitriews schäumende Wut
Sein stolzes Ziel nicht erreichen.
Vor Przemysl brach zusammen sein Glück
Dort schlug der Adler den Bären zurück.

Und "Kusmanek" hallt es von Mund zu Mund,
Hoch Przemysls tapferen Mannen!
Sie schlugen den nordischen Unhold wund
Und jagten ihn gründlich von dannen.
Sie standen wie Felsen in Not und Gefahr
Weil jeder ein Held wie Herkules war.

Adolf Pasker

 

 

29. November 1914

 

 

Aus der Belagerung Przemysl. Vergebliche Stürme der Russen.

 
Wien, 27. November. Das "Fremdenblatt" schreibt: An zuständiger Stelle ist vom Armee-Oberkommando die Mitteilung eingelangt, daß die zweite Belagerung Przemysls für den Feind bisher keine Fortschritte gebracht hat und daß die Forts der Festung trotz des wütenden Ansturmes der Russen keinen wesentlichen Schaden erlitten. In der Meldung eines Stabsoffiziers von Przemysl wurde an das Armeeoberkommando mitgeteilt, die Situation der Verteidiger sei eine solche, daß man wegen des weiteren Schicksals der Festung nicht beunruhigt sein brauche.
 

 

30. November 1914

 

 

Gute Nachrichten aus Przemysl.

 
Prag, 28. Nov. "Narodni Listy" berichten: Dr. Skorkovski, der derzeit Offizier der Sanitätsabteilung im Festungsspital zu Przemysl ist, hat einem Verwandten in Prag Flugpostkarten vom 17. und 20. November zukommen lassen. In der Karte vom 17. ds. heißt es: Es herrscht vollständige ruhe bis auf die Ausfälle, die aus der Festung unternommen werden. Vorräte gibt es im Ueberfluß. Die Gesundheitsverhältnisse sind vorzüglich, Kranke haben wir fast gar nicht. Die Stimmung ist eine vollständig ruhige. Wir haben uns schon fast an alles gewöhnt. Nicht nur wir, sondern auch die Zivilbevölkerung. In der Karte vom 20. ds. heißt es, die Situation ist fortwährend die gleiche, sie ist für uns unverändert gut.
 
 
 

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